Betazellen: Neue Erkenntnisse zu Struktur und Interaktionen der primären Zilien
Funktionsstörungen der winzigen Zellfortsätze (primäre Zilien*) der Betazellen der Bauchspeicheldrüse könnten eine Ursache für die Entstehung von Typ-2-Diabetes sein. Über Aufbau und Arbeitsweise dieser Zilien ist bisher nur wenig bekannt. Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Forschenden des Paul-Langerhans-Instituts Dresden (PLID) des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) und Helmholtz Munich am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden hat verschiedene neue bildgebende Verfahren genutzt, um die primären Zilien in ihrer natürlichen Umgebung sichtbar zu machen. Ihre Untersuchungen geben nicht nur detaillierte Einblicke in die Struktur dieser Zilien, sondern zeigen auch ihre Verbindung zum Nervensystem. Die Ergebnisse wurden jetzt in Nature Communications veröffentlicht.
Die Betazellen der Bauchspeicheldrüse sind für die Freisetzung des Hormons Insulin verantwortlich, das für die Aufnahme von Glukose aus dem Blutkreislauf unerlässlich ist. Verschiedene Faktoren können die Fähigkeit dieser Zellen beeinträchtigen, Insulin zu produzieren. Das kann zur Entstehung von Typ-2-Diabetes (T2D) führen. Aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass auch Funktionsstörungen der primären Zilien der Betazellen eine Ursache für T2D sein können.
Die meisten Zellen in unserem Körper haben unbewegliche primäre Zilien. Diese kleinen Fortsätze werden stabilisiert durch eine Art Gerüst aus röhrenförmigen Eiweißstäbchen, den Mikrotubuli. Die Zilien helfen den Zellen, Signale von außen zu empfangen und weiterzuleiten. Wie die primären Zilien von Betazellen aufgebaut sind und welche Funktion sie haben, untersuchte ein internationales Team des PLID, einem Partner von Helmholtz Munich und des DZDs, des Human Technopole in Italien, des Janelia Research Campus und der Yale University in den USA. Unter Leitung von Dr. Andreas Müller, leitender Wissenschaftler am PLID (Direktor: Prof. Michele Solimena) und Erstautor der Studie, wurden bildgebende Verfahren wie Volumenelektronenmikroskopie (vEM), 3D-Segmentierung und ultrastrukturelle Expansionsmikroskopie (U-ExM) genutzt, um die dreidimensionale Form der primären Zilien von Betazellen in ihrer natürlichen Umgebung sichtbar zu machen.
Besonderer Aufbau der skelettartigen Struktur
Die in dieser Studie beobachteten primären Zilien stammten sowohl von tierischen als auch von menschlichen Betazellen. Die Forschenden untersuchten wie die aus Mikrotubuli gebildete skelettartige Struktur (Axonem) organisiert ist. Dabei entdeckten sie strukturelle Merkmale stabilisierender Zilien mit Mikrotubuli, die in unterschiedlichen Abständen innerhalb der Zilie endeten. Das konnte zum ersten Mal in Zilien von Betazellen gezeigt werden.
Rolle der Signalübertragung zwischen Betazellen und Inselzellen
Die Forschenden überprüften auch, wie die Zilien mit Nachbarzellen interagieren, um daraus Rückschlüsse über ihre Signalfunktionen zu ziehen. Sie fanden heraus, dass sich die primären Zilien eng mit umliegenden Zellen und deren Zilien austauschen und eine wichtige Rolle bei der Signalübertragung und Vernetzung der Betazellen mit anderen Inselzellen spielen. Sie bilden Synapsen-ähnliche Strukturen, die benachbarte Zellen einklemmen.
Interaktionen mit Zellen des Nervengewebes
Weitere Analysen der Bilddaten deuteten darauf hin, dass die primären Zilien der Betazellen auch mit Zellen des Nervengewebes interagieren. Das könnte auf eine Rolle bei der neuronalen Signalübertragung hinweisen.
„Die strukturellen Daten dieser Studie zeigen die Bedeutung der primären Zilien der Betazellen als wichtige Verbindungsstellen für die Inselzellfunktion“, fasst Müller die Ergebnisse zusammen.
Um besser zu verstehen, wie die primären Zilien an der T2D-Pathogenese beteiligt sind, wollen die Forschenden die Mechanismen und Wege weiter untersuchen. Diese Forschung wird auch von dem DZD Young Talent Program unterstützt.
*Primäre Zilien
Primäre Zilien sind kleine, sensorische Strukturen, die in vielen Zelltypen vorkommen. Sie fungieren wie kleine Antennen, die Signale aus der Umgebung wahrnehmen und ins Zellinnere weiterleiten. Diese kleinen Fortsätze werden durch eine Art Gerüst aus röhrenförmigen Eiweißstäbchen, den Mikrotubuli, stabilisiert. In den Betazellen der Bauchspeicheldrüse spielen primäre Zilien eine Rolle bei der Kommunikation zwischen den Zellen und sind mit Diabetes verbunden.
Original-Publikation:
Andreas Müller et al. (2024): Structure, interaction, and nervous connectivity of beta cell primary cilia. Nature Communications. DOI: 10.1101/2023.12.01.568979