Zum Hauptinhalt springen

B-Zellen fördern Leberkrebs mit gefährlicher Doppelstrategie

Featured Publication, ZYTO,

Die entzündliche Fettleber-Erkrankung (NASH) und der daraus resultierende Leberkrebs werden durch autoaggressive T-Zellen angetrieben. Wissenschaftler:innen vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), Helmholtz Munich und der Technischen Universität München (TUM) zeigen nun, was hinter diesem zerstörerischen Verhalten steckt. Sowohl bei Mäusen als auch bei Menschen mit NASH fanden sie eine gesteigerte Anzahl aktivierter B-Zellen im Magen-Darm-Trakt. Die B-Zellen fördern die Entstehung von Leberkrebs mit einer Doppelstrategie: Über direkten Zell-Zell-Kontakt aktivieren sie autoaggressive T-Zellen. Zusätzlich produzieren die B-Zellen Antikörper der Klasse IgA, die bestimmte Immunzellen aktivieren und dadurch die Leberfibrose antreiben. Werden die B-Zellen ausgeschaltet, so bilden sich bei Mäusen Entzündung und Fibrose zurück und es gibt keine Tumorentwicklung.

Leberkrebs ist weltweit die vierthäufigste Krebstodesursache laut Zahlen der WHO. Die Erkrankung wird durch chronische Entzündungen angetrieben, die beispielsweise durch Virusinfektionen oder durch Alkoholmissbrauch ausgelöst wurden. Sehr häufig steckt auch ein ungesunder Lebensstil dahinter: Zu viele Kalorien, zu wenig Bewegung und ein zu hohes Körpergewicht führen zu einer Fettleber. Die wiederum kann eine nicht-alkoholbedingte Leberentzündung, auch NASH (non-alcoholic steatohepatitis) genannt, zur Folge haben, wodurch die Wahrscheinlichkeit auf eine Tumorentwicklung in der Leber steigt.

Prof. Mathias Heikenwälder und sein Forscherteam vom Deutschen Krebsforschungszentrum hatte erst kürzlich herausgefunden, dass NASH durch autoaggressive T-Zellen angetrieben wird, die in der Leber die entzündlichen Gewebeschäden und sogar die Krebsentstehung fördern. Mehrere experimentelle Befunde deuteten darauf hin, dass B-Zellen, die Antikörper der Klasse IgA produzieren, in diesem Prozess eine Rolle spielen. Diesem Verdacht ging das Team um Heikenwälder in einer aktuellen Studie an Mäusen auf den Grund. Erstautorin Valentina Leone von Helmholtz Munich trug zur Entdeckung relevanter Gene und Signalwege von Immunzellen bei, die an der Krankheit beteiligt sind, und zwar durch die Analyse von Gewebeproben und Einzelzellsequenzierung.

Die Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass sich bei Mäusen, die fettreich ernährt werden, – ganz ähnlich wie bei Menschen – eine entzündliche Lebererkrankung entwickelt und sie oft an Leberzellkrebs erkranken. Artgenossen dagegen, die genetisch bedingt keine B-Zellen bilden können, erkranken unter der gleichen Ernährung seltener. In den Lebern der NASH-kranken Mäuse fanden die Forschenden eine stark erhöhte Anzahl aktivierter B-Zellen. Im Dünndarm aktivieren diese B-Zellen wiederum über direkten Zell-Zell-Kontakte metabolische T-Zellen. Außerdem aktiviert das von den B-Zellen produzierte Immunglobulin A (IgA) eine weitere Gruppe von Immunzellen, die Makrophagen, die spezielle IgA-Rezeptoren auf ihrer Oberfläche tragen. Beides fördert die Entstehung von NASH und fibrotischen Veränderungen in der Leber. Werden bei den NASH-erkrankten Tieren die B-Zellen mit einem spezifischen Antikörper ausgeschaltet, so bilden sich sowohl die durch die autoreaktiven T-Zellen getriebenen Entzündung als auch die Fibrose zurück.

Das Forscherteam untersuchte auch Gewebeproben von Menschen, die sich einem chirurgischen Eingriff am Magen-Darm-Trakt zur Gewichtsreduktion („bariatrische Chirurgie“) unterzogen hatten. Die Befunde ähnelten stark denen der NASH-kranken Mäuse: Im Vergleich zu gesunden Personen enthielt das Gewebe von NASH-Betroffenen deutlich mehr B-Zellen, höhere IgA-Spiegel sowie eine höhere Anzahl an aktivierten Makrophagen.

„Die Ergebnisse zeigen uns ganz klar, dass B-Zellen und IgA erforderlich sind, um die krankhafte Kaskade bei der Entstehung von Leberkrebs anzutreiben“, fasst Heikenwälder zusammen. „Das Gute ist, dass uns diese Ergebnisse neue Möglichkeiten aufzeigen, wie wir diese krebstreibende Entwicklung präventiv aufhalten können: Schalten wir die B-Zellen mit Antikörpern aus, so bilden sich die NASH-Symptome zurück und die Tiere entwickeln weniger und kleinere Krebsherde. Es gibt sogar bereits zugelassene Wirkstoffe, die die B-Zellaktivierung unterdrücken und die möglicherweise auch beim Menschen NASH und damit vielleicht auch Leberkrebs aufhalten könnten. Dazu liegen allerdings noch keine Ergebnisse aus Studien am Menschen vor.“

 

 

Über die Wissenschafter:innen

Prof. Dr. Horst Zitzelsberger, Leiter der Abteilung Strahlenzytogenetik bei Helmholtz Munich

PD Dr. Kristian Unger, Leiter des Translation Bioinformatics Teams der Abteilung Strahlenzytogenetik bei Helmholtz Munich

Dr. Valentina Leone, promovierte Wissenschaftlerin in der Abteilung für Gastroenterologie der Klinik für Innere Medizin II am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM)

Originalpublikation

Kotsiliti and Leone et al. (2023): Intestinal B cells license metabolic T-cell activation and contribute to fibrosis via IgA-FcR signalling in NASH. J Hepatology. DOI:https://doi.org/10.1016/j.jhep.2023.04.037