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Guelcin Abbaszade
Helmholtz Munich | ©Petra Nehmeyer

Gülcin Abbaszade

Gleichstellungsbeauftragte von Helmholtz Munich

„Ich kann mich gut in Leute hineindenken, die aus anderen kulturellen Zusammenhängen kommen“

„Ich kann mich gut in Leute hineindenken, die aus anderen kulturellen Zusammenhängen kommen“

Gülcin Abbaszade ist Gleichstellungsbeauftrage von Helmholtz Munich. Ein Gespräch über die große Offenheit für Vielfalt, über fehlende Kindergartenplätze – und darüber, welche Rolle ihre eigene Biographie für ihre Arbeit spielt.

Frau Abbaszade, Sie haben lange als Wissenschaftlerin gearbeitet, bevor Sie Gleichstellungsbeauftrage wurden. Was hat Sie an der neuen Aufgabe überrascht?

Ich hätte nicht gedacht, dass meine Aufgabe so vielfältig ist. Bei dem Begriff Gleichstellung denken alle immer an die Gleichstellung von Mann und Frau – dieses Thema ist auch wirklich ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit –, aber es gibt eben so viel mehr Aspekte. In der Charta der Vielfalt sind sieben Dimensionen definiert…

…nämlich Alter, Ethnische Herkunft, geschlechtliche Identität, körperliche und geistige Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung und soziale Herkunft…

…und ich habe festgestellt, dass wir bei Helmholtz Munich unterschiedlich weit sind in der Umsetzung. Es gibt zum Beispiel ganz tolle Angebote für ältere Mitarbeiter, bei uns arbeiten 60 Prozent Frauen und wir sind mit Blick auf die Internationalisierung sehr gut aufgestellt.

Lassen Sie uns doch einen Moment bei diesem Thema bleiben: Wie lässt sich die Internationalität von Helmholtz Munich messen – und welche Auswirkung hat sie?

Da sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Wir haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 82 Ländern – und bei den wissenschaftlichen Stellen liegt der Ausländeranteil bei 36 Prozent. Das ändert natürlich den Alltag: Unsere regelmäßigen Town Hall Meetings für die gesamte Belegschaft bieten wir seit 2021 mit Simultanübersetzung ins Englische an, damit alle dabei sein können. Auf diesen Treffen werden aktuelle wissenschaftliche Projekte und Ergebnisse vorgestellt – so wie auch in den internen Mitteilungen, die inzwischen auch zweisprachig erscheinen. Und unser International Staff Service betreut internationale Mitarbeiter, Gäste und deren Familien, wenn es zum Beispiel um Visa-Fragen geht, um die Suche nach einer Wohnung oder einer passenden Schule. Das ist natürlich auch ein Recruiting-Instrument, um Spitzenwissenschaftler zu gewinnen und an uns zu binden.

Wie wirkt sich die internationale Atmosphäre auf die Wissenschaft aus?

Je internationaler die Arbeitsgruppen sind, desto erfolgreicher und innovativer sind sie. Internationalität gibt positive Impulse für die Arbeit.

Ist der auch Naturwissenschaftler?

Nein, ich komme nicht aus einer Familie, in der alle Akademiker sind. Ich habe drei Geschwister, und mein Vater hat von Anfang an zu mir gesagt: ‚Ich will, dass du studierst – egal was, aber studiere!’ Für Chemie habe ich mich schon immer interessiert, und so habe ich mich in Aserbaidschan an der Universität eingeschrieben und später auch promoviert.

Wer waren später Ihre Förderer?

Es gab immer Professoren und Vorgesetzte, die mich unterstützt haben. 2005 bin ich nach Deutschland gekommen  und habe zuerst als Gastwissenschaftlerin in Paderborn gearbeitet. Später an der Universität Augsburg habe ich mich auf das Thema spezialisiert, zu dem ich bis heute arbeite: Es geht um Aerosolforschung – um die Entstehung und Ausbreitung von gesundheitsrelevanten Partikeln in der Luft und ihre Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Ich bin also eine ganz klassische Umweltforscherin, und als solche kam ich auch zu Helmholtz Munich.

Schauen wir doch einmal auf die Statistik: Wie steht Helmholtz Munich da in Sachen Gleichberechtigung? Die 60-prozentige Frauenquote haben Sie ja schon erwähnt…

…wobei es da Unterschiede je nach Einstufung gibt: Am höchsten ist die Frauenquote in den niedrigeren Tarifgruppen des öffentlichen Dienstes. Je höher die Positionen werden, desto weniger sind Frauen vertreten. In der Spitzengruppe zum Beispiel liegt der Anteil nur bei 38 Prozent. Da möchte ich tätig werden – active sourcing wird das genannt, also die Erhöhung des Frauenanteils in höheren Einstufungen. Auch der Gender-Pay-Gap ist für mich ein wichtiges Thema, also die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Wirklich gut sind wir übrigens im Bereich der verschiedenen Arbeitszeitmodelle. Wir bieten Homeoffice, flexible Arbeitszeiten, Altersteilzeit-Modelle, da sind wir wirklich gut aufgestellt.

Helmholtz Munich hat ja auch sechsmal den Total E-Quality Award gewonnen.

Genau. Und ich bemerke in meinen Gesprächen, dass zum Beispiel die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Praxis eine gewaltige Rolle spielt. Wir haben eine Kita, aber die 21 Plätze reichen für die große Nachfrage nicht aus. Darüber bin ich mit der Geschäftsführung im Gespräch. Bei dem Vereinbarkeits-Thema denken die meisten übrigens als erstes an junge Mütter, aber es melden sich auch immer häufiger Väter. Neulich hat zum Beispiel ein Institutsdirektor ein halbes Jahr Elternzeit genommen. Das ist ein tolles Vorbild, finde ich.

Wie werden Ihre Anliegen denn in der Geschäftsführung aufgenommen?

Ich renne im Prinzip offene Türen ein. Erst neulich hat die Geschäftsführung zum Beispiel die Charta der Vielfalt unterschrieben, eine freiwillige Selbstverpflichtung. Alle wissen, dass Diversität ein wichtiges Thema ist – und ein Thema, das uns stärker macht.

Wodurch macht es stärker?

Gerade die Medizinforschung ist dafür ein gutes Beispiel: Männer und Frauen bedürfen bei einigen Krankheiten einer anderen Behandlung. Diese Aspekte kamen bislang häufig zu kurz.

An welchen Schwerpunkten möchten Sie in der nächsten Zeit besonders stark arbeiten?

Mir ist es wichtig, dass wir einige Initiativen wieder aufnehmen, die wegen Corona ausgefallen sind: etwa das Sommercamp für Schülerinnen und Schüler oder auch der Girls’ Day. Mit beidem können wir es schaffen, Mädchen und junge Frauen für die Naturwissenschaften zu gewinnen – und gleichzeitig Interessenten etwa aus sozial schwachen Familien zu unterstützen. Und ich habe in den nächsten Wochen Treffen mit unserer Inklusionsbeauftragten und unserem Familienbüro. Wir wollen überlegen, wie wir mit gemeinsamen Initiativen einen Schritt nach vorn machen können.