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Tingying Peng

Interview Foundation-Modelle in der medizinischen Forschung

Ein Interview mit Prof. Fabian Theis, Leiter des Computational Health Center, und Prof. Bjoern Eskofier, Gruppenleiter für Translational Digital Health. Die Forscher veranstalteten am 10. April 2024 das erste Munich Health Foundation Model Symposium auf dem Helmholtz Munich Campus.

Ein Interview mit Prof. Fabian Theis, Leiter des Computational Health Center, und Prof. Bjoern Eskofier, Gruppenleiter für Translational Digital Health. Die Forscher veranstalteten am 10. April 2024 das erste Münchner Health Foundation Model Symposium auf dem Helmholtz Munich Campus.

Foundation-Modelle sind umfassende Machine-Learning-Modelle, die auf großen Mengen unterschiedlicher Daten vortrainiert wurden. Sie dienen als Bausteine für verschiedene Aufgaben im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) und ermöglichen effizientes Transferlernen sowie eine präzise Anpassung an spezifische Anwendungen. Foundation-Modelle haben den KI-Sektor revolutioniert, da sie leistungsstarke, generalisierte Darstellungen von Daten, Sprache und Wissen ermöglichen. Ein bekanntes Beispiel für ein Foundation-Modell ist ChatGPT. Weitere spezialisierte Modelle haben das Potenzial, unser Verständnis komplexer Krankheiten zu verbessern.

Warum sind Foundation-Modelle für die medizinische Forschung wichtig? Können sie selbstständig neue Erkenntnisse generieren?

FT: Aktuell sorgt das Thema Foundation-Modelle für viel Aufregung – nicht zuletzt wegen ihrer dominanten Rolle im Bereich der natürlichen Sprachverarbeitung. Denn wenn man heutzutage einen erstklassigen Chatbot entwickeln möchte, benötigt man unbedingt ein großes Sprachmodell (d.h. ein Language Foundation Model) im Hintergrund.

Ebenso wird erwartet, dass auch in der biomedizinischen Forschung eine Repräsentation vieler Daten in einem einzigen Modell dazu beitragen könnte, bestimmte nachgelagerte Probleme enorm zu verbessern. Erste Arbeiten haben gezeigt, dass dies der Fall sein kann. Der für mich spannendste Aspekt ist es zu sehen, wie man mit den häufig vorkommenden multimodalen und multiskalen Daten in der Biomedizin umgeht.

Ob die Modelle tatsächlich eigene Erkenntnisse generieren, ist schwer zu sagen. Schließlich helfen sie „nur“ dabei, nachgelagerte Vorhersagen zu verbessern. Die ersten Arbeiten zeigen jedoch, dass sie intrinsisch nicht-triviale Fakten über die zugrunde liegende Biologie lernen können, wie z.B. die Genregulation bei Transkriptom-Datensätzen.

"Der für mich spannendste Aspekt ist es zu sehen, wie man mit den häufig vorkommenden multimodalen und multiskalen Daten in der Biomedizin umgeht."
Prof. Fabian Theis

Welches Potenzial bieten Foundation-Modelle in Zukunft für präventive Maßnahmen und Vorsorge für Menschen?

BE: Menschen sind Individuen, und die meisten wünschen sich ein gesundes Leben. Allerdings ist unser aktuelles Gesundheitssystem dafür nicht gut konzipiert: Es orientiert sich am Bevölkerungsdurchschnitt, ist nicht personalisiert. Außerdem ist es reaktiv anstatt präventiv. Foundation-Modelle versprechen daher im Gesundheitswesen neue Möglichkeiten, da sie individuelle Lösungen für Prävention und Gesundheit auf einer breiten Basis von genetischen, Umwelt- und Lebensstil-Daten maßschneidern können.

"Foundation-Modelle versprechen im Gesundheitswesen neue Möglichkeiten, da sie individuelle Lösungen für Prävention und Gesundheit auf einer breiten Basis von genetischen, Umwelt- und Lebensstil-Daten maßschneidern können."
Prof. Bjoern Eskofier

Können Foundation-Modelle uns helfen, wirksamere Behandlungsansätze für bestimmte Krankheiten zu identifizieren?

FT: Sicherlich können sie uns bereits jetzt dabei helfen, Diagnosen zu verbessern, einfach durch die Betrachtung von mehr Daten, mehr Patienten und mehr Ansichten desselben Patienten innerhalb eines einzigen Modells. Ob sich dies jedoch in tatsächlich wirksamere Behandlungen übersetzt, ist noch nicht geklärt. Schließlich müsste man nicht nur den Zustand einer Krankheit vorhersagen, sondern auch den kausalen Effekt einer Störung. Wir und andere haben erste Ergebnisse, dass dies für zellbasierte Wirkstofftests zutreffen könnte, aber dies funktioniert noch nicht auf der Organismus-Ebene. Wir befinden uns also noch in einer frühen Phase.

Welche Entwicklungen und Trends prägen die Zukunft der medizinischen Forschung mit Foundation-Modellen?

BE: Foundation-Modelle können nur auf Basis einer großen Menge an individuellen Gesundheitsdaten erfolgreich trainiert werden. Dies umfasst nicht nur das, was wir derzeit als medizinische Daten betrachten (wie medizinische Bilder, Biomarker und Genetik), sondern auch Umwelt- und Lebensstilfaktoren, die die „persönlichen Gesundheitsdatenräume“ eines Menschen prägen, auch „digitale Gesundheitszwillinge“ genannt. Ich bin daher persönlich sehr an den Entwicklungen solcher persönlichen Gesundheitsdatenräume interessiert, einschließlich der aktuellen Initiative der Europäischen Union zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS).

Wie können wir die Einführung von Foundation-Modellen in der Praxis beschleunigen, und welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen werden?

FT: Da die ersten Modelle dieser Art jetzt erst auf den Markt kommen, erfolgt die Implementierung hauptsächlich in der Forschung. Dies kann vom einfachen Herunterladen des Modells und dessen Ausführung auf eigenen Daten bis hin zur Nutzung eines Online-Dienstes reichen, um manchmal unerschwingliche Rechenkosten lokal zu vermeiden. Ich würde jedoch bald erwarten, dass erste Ergebnisse dieser Art ihren Weg in Kliniken finden werden – angesichts der vielversprechenden Ergebnisse sowie der Begeisterung und bereits jetzt signifikanten Investitionen von Risikokapitalgebern in Startups mit ähnlichen Missionen.

Letzte Aktualisierung: April 2024.

Prof. Dr. Fabian Theis

Director of the Computational Health Center, Director of the Institute for Computational Biology