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Interview "Unser Ziel ist es, neue therapeutische Konzepte zu entwickeln, wie man in zelluläre Signalnetzwerke eingreifen kann."

Daniel Krappmann im Interview zu seiner neuen Abteilung „Signaling und Translation“ (SAT) bei Helmholtz Munich

Daniel Krappmann im Interview zu seiner neuen Abteilung „Signaling und Translation“ (SAT) bei Helmholtz Munich

Prof. Dr. Daniel Krappmann, Leiter der Abteilung „Signaling und Translation“ und Leiter der Forschungseinheit „Signaling & Immunity“ bei Helmholtz Munich, wendet einen multidisziplinären Ansatz an, um Veränderungen in Signalwegen in Krankheiten zu erforschen. Diese Forschungsergebnisse können eine Grundlage für wegweisende Targeting-Strategien und die Entwicklung neuer Präzisionsmedikamente bilden. 

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie in Ihrer neuen Rolle als Leiter der Forschungseinheit "Signaling und Translation" (SAT)?

DK: Die Erforschung und Entwicklung neuer Therapeutika beruht auf dem engen Zusammenspiel mehrerer Disziplinen. In der neuen unabhängigen Abteilung "Signaling und Translation" (SAT) als Teil des „Molecular Targets and Therapeutic Center“ (MTTC) bei Helmholtz Munich bringen wir Expertise aus einer Vielzahl von Disziplinen zusammen: Biochemie, Molekular- und Zellbiologie, Gentechnik, Virologie, präklinische Modelle und Wirkstoffforschung. Darüber hinaus arbeiten wir mit Partnern bei Helmholtz Munich und externen Experten aus den Bereichen Strukturbiologie, Medizinalchemie, Pharmakologie und humane Erkrankungen zusammen. Die größte Herausforderung besteht darin, Synergien zu schaffen und alle Fähigkeiten und Technologien zu kombinieren, um die Lücke zwischen Grundlagenforschung und klinischen Innovationen zu schließen. Unsere Zielsetzung ist die klinische Umsetzung neuer Erkenntnisse in bahnbrechende zielgerichtete Strategien und damit die Entwicklung neuer Arzneimittel zu fördern.

Welche Forschungsschwerpunkte wollen Sie mit Ihrer neuen Abteilung angehen?

DK: Unser Ziel ist es, neue therapeutische Konzepte zu entwickeln, wie man in zelluläre Signalnetzwerke eingreifen kann, um die Behandlung von häufigen und oft nicht heilbaren Erkrankungen zu verbessern. Signalwege sind für den Informationsfluss innerhalb der Zellen verantwortlich und ermöglichen es den Zellen, auf eine sich verändernde Umgebung zu reagieren und sich anzupassen. Geringfügige genetische oder regulatorische Veränderungen in Signalnetzwerken können jedoch schwere und oft tödliche Krankheiten wie Krebs, Entzündungen oder Stoffwechselstörungen verursachen. In SAT vergleichen wir direkt "gesunde" und "krankhafte" Zustände der Zellsignalübertragung, um Vorhersagen darüber zu treffen, wie wir Signalwege für therapeutische Interventionen manipulieren können. So konnten wir beispielsweise einen veränderten Signalweg in bestimmten Krebszellen identifizieren, der zur Aktivierung eines Enzyms namens MALT1 (Mucosa-Associated Lymphoid Tissue Lymphoma Translocation Protein 1) führt. Diese Erkenntnis führte zusammen mit der Entdeckung der ersten MALT1-Inhibitoren bereits zu ersten klinischen Studien, in denen der Einsatz von MALT1-Targeting in der Krebstherapie untersucht wird.

Warum ist Ihre Forschung für die Gesundheitsforschung wichtig?

DK: Ein wichtiger Schwerpunkt in der Gesundheitsforschung ist die Entwicklung von Präzisionstherapien. Durch den Vergleich von "gesunden" und "krankheitsverursachenden" Zuständen der Zellsignalübertragung wollen wir neue Ansätze der Präzisionsmedizin rational vorhersagen, d. h. wir wollen die Grundlage für maßgeschneiderte Targeting-Strategien schaffen, die genau die molekularen Defekte korrigieren, welche die Krankheit auslöst. Ziel ist es, Patient:innen ohne schwere Nebenwirkungen zu heilen, die häufig mit nicht zielgerichteten Therapieansätzen verbunden sind. Ansätze zur Behandlung von Krebs sind Paradebeispiele für solche Konzepte der Präzisionsmedizin. Spezifische onkogene Veränderungen und die damit verbundenen molekularen Veränderungen führen zu gesteigertem Wachstum und Überleben von Tumorzellen und Krebs. Behandlungen wie Chemo- oder Strahlentherapien sind jedoch oft unspezifisch und vernichten zwar Tumorzellen, zerstören aber auch gesunde Zellen und Gewebe, was schwere Nebenwirkungen nach sich zieht. Indem wir genaue molekularen Veränderungen in den Signalwegen bei der Tumorentwicklung aufklären, wollen wir die Möglichkeiten für Präzisionstherapien verbessern.

Was ist Ihre allgemeine Vision für die Abteilung "Signaling und Translation"?

DK: Indem wir herausfinden, wie wichtige zelluläre Signalwege Gesundheit und Krankheit steuern, wollen wir neue Therapiekonzepte für die Behandlung von Infektionskrankheiten, Krebs, degenerativen Erkrankungen und Diabetes entwickeln. Unsere Vision ist es, neue Arzneimittelkandidaten zu entdecken, die dazu beitragen, die Behandlung von bisher nicht therapiebaren Erkrankungen zu verbessern.

Letzte Aktualisierung: März 2023.

Mehr zu Daniel Krappmann

Daniel Krappmann begann seine akademische Laufbahn als Doktorand und setzte seine Studien zur Signaltransduktion in Krebszellen als Postdoktorand und Juniorgruppenleiter am Max-Delbrück-Centrum (MDC) für Molekulare Medizin in Berlin fort. Seine Forschungsgruppe am Helmholtz Zentrum München widmet sich der Erforschung physiologischer und pathologischer Signalwege des Immunsystems und bei Krebserkrankungen.

Die Identifizierung der proliferativen und anti-apoptotischen Funktion von Signalnetzwerken in menschlichen Tumorzellen inspirierte ihn langjährigen Bemühungen, die Lücke zwischen Grundlagenforschung und klinischer Umsetzung zu schließen. Er leitet ein erfolgreiches Programm zur Entdeckung von Wirkstoffen und zur präklinischen Entwicklung neuer immunmodulierender Arzneistoffe. Wirkstoffkandidaten aus diesem Programm werden derzeit in der Klinik auf ihre Fähigkeit getestet, unsere Immunabwehr bei Krebserkrankungen zu stärken.