Interview Der Genetik des Tumors auf der Spur
Ein Interview mit Prof. Markus Diefenbacher, neuer Principal Investigator (PI) am Helmholtz Munich Institute for Lung Health and Immunity
Ein Interview mit Prof. Markus Diefenbacher, neuer Principal Investigator (PI) am Helmholtz Munich Institute for Lung Health and Immunity
Als neuer PI am Institute for Lung Health and Immunity bei Helmholtz Munich bringt Prof. Markus Diefenbacher eine faszinierende Perspektive auf die Erforschung der Interaktion zwischen Tumoren und dem Immunsystem mit. Seine Forschungsziele umfassen die Entschlüsselung der genetischen Komplexität von Tumoren sowie die Entwicklung innovativer Therapieansätze gegen Lungenkrebs. In diesem Gespräch teilt er seine Visionen, Ziele und die Herausforderungen seiner Forschung.
Seit wann und in welcher Funktion sind Sie bei Helmholtz Munich? Welche (Forschungs)-Ziele verfolgen Sie hier?
MD: Ich bin seit Oktober 2023 Gruppenleiter der Arbeitsgruppe „Experimentelle Immuno-Onkologie“ bei Helmholtz Munich und Professor für Experimentelle Pneumologie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.
Wie alle Krebsforscher:innen will ich den Tumorzellen den Mantel der Unsichtbarkeit entreißen. Wir wollen sehen, was sie tun. Dazu analysieren wir das Zusammenspiel zwischen Tumor und Genetik sowie zwischen Tumor und Umwelt: Welche Prozesse laufen ab? Welche Proteine sind beteiligt? Wie werden sie reguliert? Unsere Visionen sind neue, fortschrittliche Modelle, um diese Prozesse mithilfe des Immunsystems zu lesen, zu steuern, zu stoppen oder umzukehren.
„Ich will den Tumorzellen den Mantel der Unsichtbarkeit entreißen.“
Prof. Markus Diefenbacher
Was inspirierte Sie zu Helmholtz Munich zu kommen?
MD: Bei Helmholtz Munich fasziniert mich das wissenschaftliche Umfeld, sowie die kompetitive Ausstattung und die Möglichkeit der Kooperation mit führenden Gruppen auf den jeweiligen Feldern. Ausschlaggebend war für mich auch die Fokussierung der Forschung bei Helmholtz Munich auf die Lunge als System. Außerdem inspiriert mich der Standort München mit seiner wissenschaftlichen Dichte (Helmholtz Munich, Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), Technische Universität München (TUM), Max-Planck-Institut (MPI für Biochemie), Fraunhofer Institute).
Was fasziniert Sie an Ihrer Forschung?
MD: Per se bin ich fasziniert von der genetischen Komplexität von Tumoren, allen voran von soliden Tumoren. Es gibt so viele Aspekte und viele noch offene und nicht adressierte Fragen hinsichtlich der frühen Prozesse, der Anpassung von Zellen, die eine Transformation durchlaufen und die Entdeckung und Beschreibung neuer Vulnerabilitäten. Hier ist es vor allem die rasante Entwicklung neuer Methoden zur Bildgebung und Analyse komplexer biologischer Prozesse. Extrem spannend ist auch die Geschwindigkeit, mit welcher neue vorklinische Verfahren zur Behandlung von Tumoren sich entwickeln, wie etwa CRISPR, mRNA oder auch genetisch angepasste Immunzellen. Wir haben spannende Jahre der Entwicklung vor uns!
„Extrem spannend ist auch die Geschwindigkeit, mit welcher neue vorklinische Verfahren zur Behandlung von Tumoren sich entwickeln, wie etwa CRISPR, mRNA oder auch genetisch angepasste Immunzellen. Wir haben spannende Jahre der Entwicklung vor uns!“
Prof. Markus Diefenbacher
Was möchten Sie in Ihrem wissenschaftlichen Feld erreichen?
MD: Ich hoffe und wünsche mir, dass unsere Forschung maßgeblich dazu beiträgt, neue therapeutische Konzepte und Ansätze zu erarbeiten, die final Patienten zugutekommen und einen Unterschied in der Überlebensrate beitragen können.
Was sind die größten Herausforderungen und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?
MD: Die größte Herausforderung ist wohl die genetische Komplexität von Tumoren sowie die Fähigkeit der Anpassung der Krebszellen an therapeutische Interventionen, wie etwa RTK-Inhibitoren (Anm. d. Red.: RTK-Inhibitoren sind Arzneimittel, die zur Behandlung von Krebs eingesetzt werden). Uns treibt die Hoffnung an, tumor-intrinsische Signalwege und Effektoren zu finden, ohne deren Funktion Tumorzellen nicht lebensfähig sind – so dass sie unter Therapie keine Alternativwege mehr haben und daher nicht mehr wachsen können.
„Uns treibt die Hoffnung an, tumor-intrinsische Signalwege und Effektoren zu finden, ohne deren Funktion Tumorzellen nicht lebensfähig sind.“
Prof. Markus Diefenbacher
Gab es ein einschneidendes Erlebnis in Ihrer wissenschaftlichen Karriere, welches Sie geprägt hat?
MD: Ich hatte im Laufe meiner Karriere das Glück, exzellente Mentoren zu haben und die richtigen Leute zu treffen. Ich habe mich aber auch nicht gescheut, mit wichtigen und richtigen Leuten in Kontakt zu treten. Peter Herrlich und Olivier Kassel beispielsweise waren hervorragende Mentoren am Karlsruher Institut für Technologie (als Teil des Helmholtz Zentrums Karlsruhe), die mir mein erstes Meeting ermöglichten. Dann die Spetses Summer School (Federation of European Biochemical Societies) 2007, während der ich mit Axel Behrens mein Postdoc Labor fand. Auch die Zeit im Ausland war prägend, hier insbesondere der Austausch und die Kollaboration mit weltweit führenden Wissenschaftler:innen am Cancer Research UK (CRUK, nun The Francis Crick Institute) in London.
Was zeichnet aus Ihrer Sicht das Leben eines Wissenschaftlers aus?
MD: Offen zu sein, sich kommunikativ auszutauschen, andere Meinungen zuzulassen und dogmatisches Wissen immer kritisch zu hinterfragen! Kooperativ und kollaborativ macht Forschung mehr Spaß und es ist immer lohnend! Und ganz wichtig: Sich von Rückschlägen nicht abschrecken zu lassen und niemals aufzugeben. Also: Hinfallen, Krone richten, weitermachen!
„Kooperativ und kollaborativ macht Forschung mehr Spaß und es ist immer lohnend!“
Prof. Markus Diefenbacher
Verraten Sie ein Geheimnis von sich!
MD: Ich liebe Science-Fiction und spiele gerne Softball.
Letzte Aktualisierung: April 2024.
Über Prof. Markus Diefenbacher
Seit Oktober 2023 Gruppenleiter der Arbeitsgruppe „Experimentelle Immuno-Onkologie“ und Professor für Experimentelle Pneumologie an der LMU
2015 – 2023 Junior Gruppenleiter in Würzburg am Biozentrum, Lehrstuhl für Biochemie und Molekularbiologie
2009 – 2015 Postdoc in London, Cancer Research UK, London Research Institute (CRUK-LRI), nun das Francis-Crick-Institute in der Arbeitsgruppe von Axel Behrens.
2004-2009 Dipl. Arbeit mit anschließender Promotion am Helmholtz Zentrum Karlsruhe (nun KIT Campus Nord), Institut für Toxikologie und Genetic, in der Arbeitsgruppe von Peter Herrlich & Olivier Kassel.
Arbeit an transkriptioneller Regulation von Ap-1 und NF-kB durch LIM-Domänen Proteine. Unsere Forschung zeigte wie der Glucocorticoid Receptor, welcher durch Cortison „angeschaltet“ wird, entzündungs-fördernde Prozesse unterbindet.
1997-2004 Dipl. Biologie Studium am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Karlsruhe.