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Stefanie Winkler

Interview Gezielte Antikörper-Therapie gegen Hirntumor Glioblastom

Prof. Reinhard Zeidler über Hoffnung im Kampf gegen das Glioblastom, die häufigste und bösartigste Form des Hirntumors, und wie er die Entwicklung von Antikörpern zur Anwendung beschleunigt.

Prof. Reinhard Zeidler über Hoffnung im Kampf gegen das Glioblastom, die häufigste und bösartigste Form des Hirntumors, und wie er die Entwicklung von Antikörpern zur Anwendung beschleunigt.

„Wir glauben, dass unser Antikörper Metastasen von Glioblastomen gezielt findet und zerstört und so die Lebenserwartung von Betroffenen verlängert.“

Prof. Reinhard Zeidler, Leiter der Forschungsgruppe "Therapeutische Antikörper", Helmholtz Munich

 

Derzeit wird eine spezifische Tumor-Therapie gegen so genannte Glioblastome in einer klinischen Phase I-Studie getestet. Sie haben hierfür nicht nur die Grundlagen erforscht, sondern den ganzen Prozess bis hierher wissenschaftlich begleitet.

Was ist das Besondere an dieser Therapie?

RZ: Wir haben einen Antikörper* entwickelt, der gezielt Glioblastomzellen findet, spezifisch an sie bindet und dazu beiträgt, sie zu zerstören. Gleichzeitig schont er gesunde Gehirnzellen. Wenn die klinischen Prüfungen erfolgreich verlaufen, könnten Menschen mit Glioblastomen länger überleben, denn mit der bisherigen Standardtherapie liegt das mittlere Überleben ab Diagnose bei nur 12-15 Monaten. 

Experten-Wissen: Wie wirkt der Helmholtz Munich-Antikörper mit Radionuklid*?

Der Antikörper bindet spezifisch an das Enzym Carboanhydrase XII, das im Gehirn ausschließlich auf der Oberfläche von Krebszellen vorkommt – vermutlich, weil es für deren schnelles Wachstum wichtig ist. Gekoppelt an Lutetium-177, einen radioaktiven Strahler (Radionuklid), wird der Antikörper nach der operativen Entfernung des Haupttumors in die entstandene Höhle injiziert., von wo aus er in das umliegende Gehirngewebe einwandert und an verbliebene Tumorzellen bindet. Der Antikörper hat einen doppelten Effekt: zum einen hemmt es das Enzym, zum anderen dirigiert er das Lutetium-177 spezifisch an die Tumorzellen, die durch die Standardtherapie nicht eliminiert werden konnten. Die beim radioaktiven Zerfall von Lutetium-177 freigesetzte Strahlung zerstört die Tumorzellen in der unmittelbaren Umgebung. Diese gestreuten Tumorzellen sind häufig der Grund für das Wiederauftreten der Erkrankung, man spricht von einem Rezidiv. Mit der neuen Therapie wird erwartet, dass das Auftreten von Rezidiven deutlich verzögert wird.

Warum ist die Überlebenszeit von Menschen mit Glioblastomen derzeit so gering?

RZ: Ausgehend von dem Haupttumor streuen viele einzelne Krebszellen in das gesunde Gehirngewebe. Diese Krebszellen werden mit der Standardtherapie, meist bestehend aus einer Kombination aus Bestrahlung und Chemotherapie, die bisher nach dem operativen Entfernen des Tumors angewendet wird, nicht effizient genug zerstört. Die Folge: Einzelne überlebende Krebszellen beginnen sich zu teilen und bilden einen neuen Tumor, der häufig zum Tod führt – trotz erfolgreicher Entfernung des Haupttumors. Glioblastome sind sehr aggressive und bösartige Hirntumore: Sie streuen besonders stark und bilden schnell Rezidive. Um die Prognose von Betroffenen zu verbessern, müssen diese einzelnen Tumorzellen und Rezidive effizienter bekämpft werden. Ich habe Hoffnung, dass uns dies mit unserem Antikörper gelingt.

Warum wirkt die Therapie mit dem Antikörper besser?

RZ: Unser Antikörper wird lokal verabreicht und wirkt quasi vor Ort. Dort dockt er gezielt an Tumorzellen an, und das gekoppelte Radionuklid zerstört sie  durch therapeutisch wirksame radioaktive Strahlung effizient. Eine Chemotherapie ist weitaus weniger spezifisch – mit der Folge, dass einerseits die gestreuten Krebszellen nicht so effizient zerstört werden und andererseits mehr starke Nebenwirkungen durch Schädigung von gesunden Geweben auftreten.

Hoffnung in gezielte Antikörper-Therapie

Welche Erwartungen haben Sie an den Antikörper?

RZ: Wir wissen bisher, dass eine Behandlung mit dem Antikörper sehr gut vertragen wird. Ob sie auch zu einem längeren Überleben führt, wird in einer umfangreichen klinischen Studie untersucht werden. Auch wenn ich ein großes Potential in unserem Antikörper sehe, wird er vermutlich dennoch kein Wundermittel im Kampf gegen Glioblastome sein. Was ich mir aber für die Betroffenen erhoffe, sind eine Verbesserung der Lebensqualität und ein deutlich längeres Überleben.

Was waren die Katalysatoren auf dem Weg zu dieser erfolgversprechenden Krebs-Therapie?

Besonders wichtig ist mir die Freiheit, auch einmal unkonventionelle Ideen umzusetzen und Projekte zu bearbeiten, die riskant erscheinen und nicht ‚Mainstream‘ sind. Am Helmholtz Munich und am Klinikum der LMU konnte ich dies. Die unmittelbare Nähe zum Klinikum Großhadern und zur Helmholtz Munich-Core Facility „Monoklonale Antikörper“, die früher von Frau Dr. Elisabeth Kremmer geleitet wurde und in unserem Gebäude in Großhadern angesiedelt war, waren und sind weitere wichtige Erfolgsfaktoren. Neben der passenden Infrastruktur sind kurze Wege, persönliche Kontakte zu Ärzt:innen und Kooperationspartner:innen, und der Zugriff auf Patientenmaterial essenziell für unsere Arbeit. Der wichtigste Katalysator war aber wohl, dass ich von Anfang an die besondere Technologie, mit der wir unsere Antikörper herstellen, geglaubt habe und dies immer noch tue. Mit ihr haben wir viele therapeutisch vielversprechende Antikörper entwickelt und neue Erkenntnisse über Krebszellen gewonnen.

What Does the Core Facility “Monoclonal Antibodies” Do?

Nachdem Sie diesen Antikörper entwickelt haben – wie ging es weiter?

Einen therapeutischen Antikörper kann man nur im Team entwickeln. Daraus möchte ich Dr. Franz Gildehaus vom Institut für Nuklearmedizin und insbesondere Herrn Prof. Hans-Jürgen Reulen, den ehemaligen Chef der Klinik für Neurochirurgie am Klinikum der LMU, hervorheben. Spezialisierte Abteilungen von Helmholtz Munich haben den Technologietransfer intern unterstützt und auch die Ascenion GmbH, die Mitglieder meiner Arbeitsgruppe und viele Kooperationspartner haben sehr zum Erfolg beigetragen. Realistisch betrachtet wären wir mit unserem akademischen Team wohl dennoch gescheitert, wenn nicht die Firma ITM Isotope Technologies Munich das Projekt unterstützt und den Antikörper lizenziert hätte: Sie haben den Zulassungs-Prozess für den Antikörper im letzten Schritt maßgeblich begleitet.

Einen Antikörper zu entwickeln, der sich für die Therapie von Glioblastomen eignet, ist für mich persönlich natürlich ein großer Erfolg! Es ist aber auch ein Beleg dafür, dass die Technologie, wie wir viele verschiedene Antikörper herstellen und die vielversprechendsten davon identifizieren, ein großes Potenzial besitzt: Der Antikörper zur Behandlung von Glioblastomen ist nur der erste dieser Reihe. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich weitere Antikörper für die Behandlung anderer Krebsarten eignen werden. Um das zu wissen, müssen aber noch viel Geld und Arbeit investiert werden.

Helmholtz Munich fördert translationale Forschung

Hierfür haben Sie das Spin-Off „Eximmium“ gegründet...

Die Entwicklung therapeutischer Antikörper ist langwierig und teuer. Mit öffentlichen Geldern allein ist das nicht zu machen. Deshalb haben wir unser Spin-Off ‚Eximmium‘ gegründet, das viele dieser Antikörper von Helmholtz Munich exklusiv lizenziert hat. Nur so haben wir die Chance, finanzkräftige Investoren zu identifizieren, die idealweise neben Geld auch über ein Netzwerk und wichtiges Know-How verfügen, um weitere Antikörper in absehbarer Zeit in die Klinik zu bringen. Hier sehe ich Eximmium auf einem sehr guten Weg.

Erfahre mehr über Prof. Reinhard Zeidler und seine Forschung

Prof. Reinhard Zeidler, Leiter der Forschungsgruppe "Therapeutische Antikörper" am Institut für Strukturbiologie von Helmholtz Munich und am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).

Contact:reinhard.zeidler@helmholtz-munich.de