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Prof. Dr. Matthias Hebrok
© Uli Benz/ TUM

Interview „Wissenschaft muss erfinderisch sein, neue Wege aufsuchen, das Ungewisse erproben.“

Matthias Hebrok im Interview zu seinem neuen Institut für Diabetes und Organoid-Technologie (IDOT) bei Helmholtz Munich

Matthias Hebrok im Interview zu seinem neuen Institut für Diabetes und Organoid-Technologie (IDOT) bei Helmholtz Munich

Seit September 2022 leitet Matthias Hebrok das neu gegründete Institut für Diabetes und Organoid Technology (IDOT). Im Fokus seiner Forschung steht das Generieren und die Untersuchung von Pankreas Organoiden mit dem Ziel, neuartige Therapien für Diabetes und Bauchspeicheldrüsenkrebs zu entwickeln. Wir sprachen mit ihm über seine Pläne und Ziele für das neue Institut.

Welche besonderen Herausforderungen sehen Sie in Ihrer neuen Funktion als Leitung des IDOT?

MH: Ich freue mich sehr darauf, das IDOT bei Helmholtz Munich aufzubauen. Ich glaube, dass unser Fokus auf humane Pankreas Organoide, die wir aus Stammzellen generieren, ausgezeichnete Möglichkeiten für enge Kollaborationen am Zentrum und an der Technischen Universität München eröffnet. Eine Herausforderung wird sein, wie wir die erstaunlichen Fortschritte in der Bioinformatik, Geneditierung und der Künstlichen Intelligenz am effektivsten in unsere Organoidtechnologie einbringen können. Dazu braucht es eine intensive Integration des IDOT in die bereits existierenden Forschungsgruppen und das Verständnis unserer Wissenschaftler, dass außergewöhnliche und bahnbrechende neue Erkenntnisse nur an den Schnittstellen zwischen verwandten Forschungsbereichen erreicht werden. Eine weitere Herausforderung wird sein, wie wir möglichst schnell und effizient unsere Grundlagenforschung in Therapien für Patientinnen und Patienten mit Diabetes und Pankreaskrebs umwandeln können.

Welche persönlichen Akzente möchten Sie setzen?

MH: Ich bin vor mehr als 26 Jahren als Postdoktorand in die USA gegangen und habe einen Großteil meiner wissenschaftlichen Kariere dort verbracht. Das war eine großartige Zeit, in der ich viel gelernt habe. Was mich besonders an der amerikanischen Mentalität beeindruckt hat, ist die Art und Weise, wie Risiken nicht nur akzeptiert, sondern sogar aktiv gesucht werden. Ich möchte am IDOT ein Umfeld schaffen, in dem meine Mitarbeitenden die Freiheit haben, sich auf die wichtigsten, noch ungelösten Fragen in unserem Gebiet zu fokussieren. Auch wenn diese anfangs unlösbar erscheinen. Ich möchte Forschende im IDOT dazu motivieren, ihren Instinkten zu trauen, ihre besten Ideen zu verfolgen und experimentell zu testen. Wissenschaft muss erfinderisch sein, neue Wege aufsuchen, das Ungewisse erproben. Kurz gesagt – Wissenschaft muss Spaß machen.  Auf diese Philosophie werde ich am IDOT viel Wert legen.

Welche Forschungsschwerpunkte möchten Sie mit dem neuen Institut angehen?

MH: Ich beschäftige mich seit Langem damit, Pankreas Organoide aus humanen Stammzellen zu generieren. Der Grund dafür ist, dass wir bei der Untersuchung dieser Strukturen nicht nur neue Informationen über die normale Funktion der Bauchspeicheldrüse erhalten. Die Organoide stellen vor allem auch sehr gute Modelle für die Untersuchung von Krankheiten und die Entwicklung von Therapien dar. Am IDOT werden wir uns auf die Funktion des endokrinen Pankreas fokussieren, also die hormonproduzierenden Zellen, die in den Langerhans-Inseln liegen. Die Hormone dieser Zellen, insbesondere das von Betazellen produzierte Insulin, regulieren unseren Blutzuckerspiegel und Defekte in diesen Zellen führen zum Diabetes. So nutzen wir beispielsweise Inselzell-Organoide, um zu testen, wie man Zellen durch Geneditierung so verändern kann, dass sie robuster gegenüber Stressfaktoren sind, die bei der Zellersatztherapie in Patient:innen mit Diabetes auftreten können. Weiterhin werden wir auch genetische Schaltwege ausnutzen, um ‚selbst-heilende‘ Inselzellen zu generieren, also Zellen so ausrüsten, dass sie sich selbständig nach Einfluss von schädlichen Prozessen regenerieren können. 

Neben den endokrinen Zellen besitzt der Pankreas auch einen exokrinen Anteil, der Verdauungsenzyme produziert und im Darm freisetzt. Diese exokrinen Zellen sind die Vorläufer des duktalen Pankreaskarzinoms, das mit einer sehr hohen Mortalität verbunden ist. Wir werden humane Stammzellen benutzen, um die verschiedenen Stadien und Formen des Pankreaskrebs nachzubilden und unser Verständnis zur Entwicklung dieser Tumoren zu verbessern. Die hierbei generierten Organoide sollen auch dazu beitragen, diagnostische Methoden und neue Therapien zu entwickeln.

Wie lautet Ihre Vision für das IDOT?

MH: Wir sind an einem Zeitpunkt angekommen, wo es absehbar ist, dass Stammzelltechnologie gepaart mit Bioinformatik, Künstlicher Intelligenz, und Bioengineering die Zelltherapie von Patient:innen grundlegend verändern wird. Ich möchte, dass das IDOT bei dieser Revolution eine führende Rolle spielt, besonders indem wir eng mit unseren Kolleg:innen in den anderen Bereichen zusammenarbeiten, um die komplexen und ausstehenden Fragen in der Diabetes- und Pankreaskrebsforschung zu lösen. Das IDOT soll eine führende Rolle dabei spielen, neue Wege für Therapien für Diabetes und Pankreaskrebs aufzuzeigen.

Letzte Aktualisierung: Februar 2023.

Mehr zu Matthias Hebrok

Matthias Hebrok erhielt sein Diplom in Zellbiologie von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, promovierte am Max-Planck-Institut für Immunbiologie Freiburg und forschte als Postdoktorand am Howard Hughes Medical Institut der Harvard University.

Seit September 2022 leitet Matthias Hebrok das neu gegründete Helmholtz Munich Institut für Diabetes und Organoid Technology (IDOT). Zum 1. September 2022 wurde er zudem als Professor für Angewandte Stammzell- und Organoidsysteme an die TUM berufen. An der TUM leitet er das Center for Organoid Systems (COS). 

Matthias Hebrok war bis August 2022 der ‚Hurlbut-Johnson Distinguished Professor in Diabetes Research‘ an der University of California, San Francisco (UCSF) und leitete dort auch das Diabetes Center von 2010 bis 2020. Er hat entscheidende Beiträge auf den Gebieten der Pankreasentwicklung, Stammzellbiologie und regenerativen Medizin geleistet.

Seine frühen Arbeiten konzentrierten sich auf die Untersuchung der embryonalen Entwicklung und der Funktionen der Bauchspeicheldrüse, eines Organs des Magen-Darm-Trakts, das von Diabetes und Bauchspeicheldrüsenkrebs betroffen ist. Seine Gruppe hat aufgeklärt, wie die Deregulierung embryonaler Signalwege und epigenetischer Faktoren die Entstehung von Bauchspeicheldrüsenkrebs fördert. Darüber hinaus entwickelte sein Labor Methoden zur Differenzierung menschlicher Stammzellen in funktionale, hormonproduzierende Inselzellen – eine wegweisende Technologie, die eine Zellersatztherapie für Patient:innen mit Diabetes ermöglicht. 

Er erhielt mehrere Ehrungen und Auszeichnungen, darunter den Scholar Award der Juvenile Diabetes Research Foundation (JDRF) und den Gerold & Kayla Grodsky Award für herausragende wissenschaftliche Beiträge zur Diabetesforschung. Er berät akademische Diabeteszentren und hat eine Gastprofessur an der Technischen Universität Dresden inne. Er hat als wissenschaftlicher Berater mehrere Biotech- und Stammzellunternehmen unterstützt und ist Mitbegründer eines Unternehmens, das neuartige Nanosensoren entwickelt, um die Aktivitäten von aus Stammzellen gewonnenen Transplantaten in Patienten zu überwachen. Matthias war Vorsitzender der Cellular Aspects of Diabetes and Obesity (CADO) Begutachtungskommission des National Institutes of Health (NIH) und Mitglied des Diabetes Mellitus Interagency Coordinating Committee (DMICC) des National Institute of Diabetes and Digestive and Kidney Diseases (NIDDK) sowie des Forschungsbeirates für die Juvenile Diabetes Research Foundation (JDRF).

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Matthias Hebrok ist zudem Professor für Angewandte Stammzell- und Organoidsysteme an der TUM