Unsichtbar und Ultrafein – Wie beeinflussen Luftschadstoffe unsere Gesundheit?
Luftschadstoffe können nicht nur die Entstehung und den Verlauf von Lungenerkrankungen beeinflussen, sondern lösen im ganzen Körper Entzündungen aus. Forschende von Helmholtz Munich untersuchen die Zusammenhänge von unsichtbaren Schadpartikeln in der Luft und Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Lungenerkrankungen und Allergien, um Krankheitsmechanismen zu verstehen, vorbeugend bei der Festlegung von Grenzwerten fachkundig zu beraten und innovative Therapien zu entwickeln.
Luftschadstoffe können nicht nur die Entstehung und den Verlauf von Lungenerkrankungen beeinflussen, sondern lösen im ganzen Körper Entzündungen aus. Forschende von Helmholtz Munich untersuchen die Zusammenhänge von unsichtbaren Schadpartikeln in der Luft und Herzkreislauferkrankungen, Diabetes, Lungenerkrankungen und Allergien, um Krankheitsmechanismen zu verstehen, vorbeugend bei der Festlegung von Grenzwerten fachkundig zu beraten und innovative Therapien zu entwickeln.
Die Umwelt beeinflusst unsere Gesundheit
Die häufig von Journalist:innen und Politiker:innen gestellte Frage, wenn es um die Festlegung neuer Grenzwerte geht, lautet: „Wie hängen Krankheiten und Luftschadstoffe zusammen?“ Prof. Claudia Traidl-Hoffmann beantwortet sie mit einer klaren Botschaft ein: „Gesunde Menschen gibt es nur auf einer gesunden Erde.“
„Luftschadstoffe sind ein wichtiger Mosaikstein in dem komplexen Zusammenspiel zwischen Klima und Gesundheit.“
Prof. Claudia Traidl-Hoffmann
Der Umweltmedizinerin und Direktorin des Instituts für Umweltmedizin bei Helmholtz Munich ist es wichtig, die Zusammenhänge von Umweltfaktoren auf die Gesundheit zu verdeutlichen: Sie selbst spezialisierte sich zunächst auf die Dermatologie und beschäftigte sich damit wie eine Allergie entsteht. „Ich habe mir selbst die Frage gestellt: In welchem Bereich muss ich forschen, damit ich allergische Erkrankungen besser verstehe?“ Und je eingehender sie sich mit ihren Patient:innen beschäftigte, desto deutlicher wurde ihr, dass sie die Umweltfaktoren mit einbeziehen muss. Denn, so steht heute fest: Schadstoffe können den Weg für die Entstehung von Allergien ebnen. Als Chefärztin am Universitätsklinikum Augsburg sieht sie zudem, was die Klimakrise mit den Menschen macht – auch unter den gemäßigten Bedingungen Mitteleuropas: Da kommen Patient:innen, die schon im Januar unter Heuschnupfen leiden und von Zecken gestochen werden, weil Jahreszeiten sich immer mehr verschieben. Immer mehr Menschen werden mit unterschiedlichen Diagnosen während und kurz nach Hitzewellen ins Krankenhaus eingeliefert oder es werden bei ihnen vermehrt Symptome psychischer Erkrankungen oder besonders viele Schlaganfälle bei bestimmten Wetterlagen festgestellt. „Die Schadstoffe in der Luft“, sagt Traidl-Hoffmann, „sind ein wichtiger Mosaikstein in diesem großen Bild. Die Verbrennungsprozesse, die für Schadstoffe in der Luft verantwortlich sind, befeuern auch den Klimawandel. Schadstoffe und Klimawandel wiederum bedrohen massiv unsere Gesundheit.“
„Wenn ein fünf-jähriges Kind kontinuierlich Schadstoffen ausgesetzt ist und dann viel später mit 50 Jahren Diabetes entwickelt – ist die Frage, wie hängt das zusammen, was ist über all die Jahre hinweg im Körper passiert?“
Prof. Claudia Traidl-Hoffmann
„Wir haben in den vergangenen Jahren immer besser verstanden, welche Auswirkungen Luftschadstoffe auf die menschliche Gesundheit haben“, sagt die Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann von Helmholtz Munich. Für sie und ihre Kolleg:innen tun sich aber dennoch immer neue Fragen auf. „Als heiligen Gral der Forschung sehe ich das Zusammenspiel von Raum und Zeit bei Luftschadstoffen“, sagt Traidl-Hoffmann: „Wenn ein fünf-jähriges Kind kontinuierlich Schadstoffen ausgesetzt ist und dann viel später mit 50 Jahren Diabetes entwickelt – ist die Frage, wie hängt das zusammen, was ist über all die Jahre hinweg im Körper passiert?“
Luftschadstoffe machen krank
Bei Helmholtz Munich beschäftigen sich viele hochkarätige Forscher:innen mit der Luftqualität. Die Bedeutung des Themas ist in den vergangenen Jahren immer deutlicher geworden: Der "Lancet Countdown on Health and Climate Change," – eine jährliche Veröffentlichung des gleichnamigen Medizin-Journals, in der die Auswirkungen des Klimawandels bilanziert werden – hat eindrucksvoll gezeigt, dass Schadstoffe in der Luft krank machen. Er zeigt aber auch, dass es hilft, wenn die Schadstoffe wieder reduziert werden.
Saubere Luft ist ein Menschenrecht
Für weltweite Schlagzeilen sorgte der Fall Ella: Das neunjährige Mädchen aus London ist 2013 an Asthma gestorben. Die ersten sieben Jahre ihres Lebens war sie gesund, dann entwickelte sie Asthma – und kurz nach ihrem neunten Geburtstag starb sie an einem plötzlichen asthmatischen Anfall. Sie ist der erste Mensch der Welt, bei dem Luftverschmutzung als Todesursache festgehalten wurde. Inzwischen hat die Weltgesundheitsorganisation saubere Luft als Menschenrecht eingestuft.
Langzeitstudien als Datenschatz für Gesundheitsforschung
Eine führende Expertin für Luftschadstoffe ist Prof. Annette Peters. Sie leitet bei Helmholtz Munich das Institut für Epidemiologie und ist zugleich Spezialistin für große, lang angelegte Bevölkerungsstudien. Die NAKO-Gesundheitsstudie beispielsweise, eine Studie, bei der mehr als 200.000 Proband:innen über viele Jahre hinweg begleitet werden, leitete Peters in der entscheidenden Phase der Corona-Pandemie. „Eine unserer Fragen bei solchen Untersuchungen ist natürlich: Wer wird aufgrund von Luftschadstoffen krank?“, erläutert die Epidemiologin. In den Studien werden die Proband:innen befragt und untersucht. „Wir beziehen ganz bewusst auch den Wohnort mit ein und analysieren, wie hoch dort die Belastung mit Luftschadstoffen ist“, sagt Peters. So lässt sich ihr Einfluss auf die menschliche Gesundheit über viele Jahre hinweg untersuchen.
Die Erkenntnis ist eindeutig: Feinstaub beispielsweise dringt tief in die Lunge ein und führt dort zu Entzündungsreaktionen. Die Folgen beschränken sich aber nicht auf die Lunge. Auch auf das Herzkreislauf-System wirken sich Schadstoffe aus: Sie können Herzinfarkte auslösen, Demenz begünstigen und haben bei Schwangeren sogar Auswirkungen auf das ungeborene Leben. „Besonders schädlich sind die Emissionen von Verbrennungsprozessen, sei es in Fahrzeugmotoren, in Kraftwerken oder bei Heizungen“, sagt Peters. Im Feinstaub, der dabei ausgestoßen wird, finden sich zahlreiche Partikel mit gefährlichen Eigenschaften wie beispielsweise Ruß. Epidemiologische Studien haben eindeutig gezeigt, dass Feinstaub, der aus Partikeln mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 µm besteht, der Gesundheit schadet. Kleinere Partikel in der Luft, so genannte ultrafeine Partikel (UFP), tragen zu gesundheitlichen Auswirkungen bei, aber die Beweise für Regulierungsmaßnahmen sind nach wie vor unsicher.
Experten-Wissen: Ultrafeine Partikel
Ultrafeine Partikel (UFP) sind sehr kleine Teilchen in der Luft, mit einem Durchmesser von weniger als 0.1 µm (100 nm).
Diese winzigen Teilchen tragen nur gering zur Masse von Feinstäuben bei, dominieren jedoch in der Anzahl und Partikeloberfläche, und werden daher aus toxikologischer Sicht als relevant eingeschätzt. Annette Peters und Team nehmen deshalb in ihren Studien den Ultrafeinstaub unter die Lupe. Ihre ersten Erkenntnisse: Fünf bis sieben Tage nachdem Personen ultrafeinen Partikeln ausgesetzt waren, hatten diese ein signifikant erhöhtes Sterberisiko aufgrund von Atemwegserkrankungen. Eine weitere Studie zeigte in den Jahren 2017 bis 2020 mehr Krankenhauseinweisungen für Herzkreislauf- und Atemwegserkrankungen an Tagen mit hoher Feinstaubkonzentration.
„Wir konnten zeigen, dass das Luftgemisch aus Partikeln und Gasen komplex ist und die Auswirkungen von Partikeln unterschiedlicher Größe für künftige Risikoabschätzungen differenziert untersucht und bewertet werden müssen.“
Prof. Annette Peters
Die Kleinsten im Visier
„Die Studien untermauert die Auswirkungen der Luftschadstoffe auf die Gesundheit. Und es wurde klar, dass das Luftgemisch aus Partikeln und Gasen komplex ist und die Auswirkungen von Partikeln unterschiedlicher Größe für künftige Risikoabschätzungen differenziert untersucht und bewertet werden müssen. Entsprechend hat die Weltgesundheitsorganisation bereits 2021 gefordert, dass zusätzlich zu einer Absenkung der Grenzwerte für bekannte Luftschadstoffe, mehr qualitativ hochwertige Daten zu ultrafeinen Partikeln beziehungsweise die Einbindung der ultrafeinen Partikel in bestehende Routinemessungen, eine entscheidende Grundlage für die Untersuchung der Gesundheitseffekte bildet.
Helmholtz Munich trägt zur besseren Gesundheit bei
Annette Peters, bei der Beschlussfindung 2021 als beratende Expertin beteiligt, erinnert sich: „Die neueren wissenschaftlichen Studien wurden bei der Beschlussfindung von der WHO sehr ernst genommen. Es wurden sehr niedrige Feinstaubkonzentrationen festgelegt. Auch beim Stickstoffdioxid ist die Grenze von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter auf nur noch 10 Mikrogramm deutlich gesenkt worden. Ein zweiter positiver Aspekt: Auch die Werte für Spitzenkonzentration wurden reduziert – bislang wurden die Richtwerte für die Spitzenzeiten unabhängig von den jährlichen Durchschnittswerten festgelegt.“ Im Klartext bedeutet das, dass die Regierungen jetzt deutlich niedrigere Grenzwerte für den Ausstoß von Luftschadstoffen festlegen sollten – und auch, wenn die WHO-Richtlinien nur Empfehlungen sind, machen sie allen Gesetzgebern die Dringlichkeit deutlich. „Dies gilt insbesondere für die Grenzwerte der Europäischen Union. Die aktuellen Vorschläge der Europäische Kommission sind ein wichtiger Schritt, aber aus Sicht der Wissenschaft nicht ambitioniert genug. Sie schützen die Gesundheit, insbesondere Kindern und Patienten mit Lungen-, Herzkreislauferkrankungen oder Diabetes nicht wirkungsvoll“ sagt die Epidemiologin.
Feinstaub kennt keine Grenzen
„Um die Luftqualität zu verbessern, muss man weltweit denken und zusammenarbeiten."
Prof. Annette Peters
Als besonders positiv bewerten Expert:innen, dass die Richtlinien weltweit gelten. Denn die Luftverschmutzung lässt sich am Ort des Schadstoffausstoßes messen – aber sie beschränkt sich nicht auf das örtliche Umfeld, denn Partikel werden durch den Wind teilweise über Tausende von Kilometern hinweg transportiert. „Wir in Europa haben das Glück, dass wir überwiegend die Luft aus dem Westen bekommen, und da liegt erstmal der Atlantik. Aber bei Ostwind merken wir immer, dass Schadstoffe aus ganz anderen Regionen zu uns transportiert werden“, sagt Annette Peters und verweist auf den Sahara-Staub, der an heißen Sommertagen auch in Deutschland ankommt. Peters Schlussfolgerung: „Auch bei der Luftqualität muss man weltweit denken und zusammenarbeiten. Deshalb brauchen wir in Europa eine Novellierung der Grenzwerte, um die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt wirkungsvoll zu schützen. “
One Health – Klimawandel und Hitze triggern Volkskrankheiten
In Fachkreisen gewinnt ein Ansatz zunehmend an Bedeutung, der als „One Health“ oder auch „Planetary Health“ bezeichnet wird. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass menschliche Gesundheit ursächlich mit gesunden Tieren und einem gesunden Planeten zusammenhängt. Wie eng die Wechselwirkungen sind, merken Ärzt:innen in ihren Sprechstunden immer wieder: Menschen mit Asthma beispielsweise haben bei erhöhten Stickoxidkonzentrationen Atemnot und Atembeschwerden. Die Symptome verschlimmern sich nochmals, wenn die Patient:innen gleichzeitig auch noch mit Allergenen belastet sind – also im Frühjahr zum Beispiel mit Pollen oder im Winter mit Hausstaubmilben. Auch in Hitzewellen sind die Auswirkungen viel größer, wenn gleichzeitig die Belastung durch Luftschadstoffe hoch ist. Das konnte im Rahmen von großangelegten, Europaweiten Studien zum Klimawandel von Helmholtz Munich gezeigt werden.
„Ich als Wissenschaftlerin in diesem Forschungsbereich fühle mich verpflichtet, diese Zusammenhänge sachlich darzustellen und Entscheidungsgeber zu beraten, um langfristig zu einer besseren Gesundheit beizutragen.“Prof. Annette Peters
„Eine wichtige Frage für die Zukunft ist, wie sich die Veränderungen des Klimawandels und die Bemühungen klimaneutral bis 2045 zu werden, auf die Zusammensetzung der Luftschadstoffe und die Wechselwirkungen mit Wetterextremen, wie zum Beispiel Hitzewellen, auswirken werden.“ sagt Annette Peters. Hier gibt es aus ihrer Sicht wichtige Synergien und insbesondere die begonnen Transformationen von Gesellschaft, Wirtschaft und dem Städtebau lassen hoffen, dass Gesundheitsauswirkungen, die heute noch zu beobachten sind, in den nächsten Dekaden an Bedeutung verlieren. „Ich als Wissenschaftlerin in diesem Forschungsbereich fühle mich verpflichtet, diese Zusammenhänge sachlich darzustellen und Entscheidungsgeber zu beraten, um langfristig zu einer besseren Gesundheit beizutragen. Die interdisziplinare Zusammenarbeit bei Helmholtz Munich mit breitaufgestelltem Fachwissen ermöglicht es, Aspekte von verschiedenen Blickwinkeln aus zu betrachten und so Empfehlungen zu geben, die verschiedenste Faktoren wie Gene, Epigenetik sowie Erkrankungen wie Diabetes, Lungenerkrankungen und Allergien miteinbeziehen.
Letzte Aktualisierung: November 2023.
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LIes die Pressemitteilung Klimawandel und Gesundheit: Erkenntnisse aus dem Lancet Countdown Report 2023.
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Prof. Annette Peters, Direktorin des Instituts für Epidemiologie von Helmholtz Munich.
Prof. Claudia Traidl-Hoffmann, Director vom Institute of Environmental Medicine von Helmholtz Munich.