ERC Advanced Grant: Magdalena Götz und Marcus Conrad erhalten höchstdotierte Förderung
Gesucht: Etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit einer herausragenden Forschungsbilanz der vergangenen zehn Jahre. Gefunden: Am Helmholtz Zentrum München. Magdalena Götz und Marcus Conrad erhalten beide einen ERC Advanced Grant. Der Europäische Forschungsrat (ERC) wird ihre Forschungsprojekte für die nächsten fünf Jahre mit jeweils mehr als zwei Millionen Euro unterstützen.
NeuroCentro – „Wenn es uns gelingt, die Neurogenese bis ins Erwachsenenalter fortzusetzen, könnte dies ein bahnbrechender Schritt für die Reparatur des Gehirns sein.“
Prof. Götz, Sie erhalten zum zweiten Mal einen ERC Advanced Grant für Ihre Forschung an der Neurogenese. Worum geht es in Ihrem aktuellen Projekt, NeuroCentro?
Magdalena Götz: Neuronen werden üblicherweise nur im Embryonalstadium gebildet. Unser Ziel ist es deshalb, die Phase, in der Neuronen entstehen, bis ins Erwachsenenalter hin zu verlängern. Damit würden sich ganz neue Möglichkeiten ergeben. Wir könnten das Gehirn zur Erzeugung neuer Nervenzellen anregen, also die Neurogenese reaktiveren, und damit die Reparatur von Gehirnverletzungen bei Patienten unterstützen. Um dort hinzukommen, müssen wir jedoch zunächst die Mechanismen der gegenwärtigen Neurogenese besser verstehen. Wir gehen davon aus, dass unsere neuesten Erkenntnisse über die einzigartige Zusammensetzung des Zentrosoms von neuralen Stammzellen dabei helfen könnten.
Warum ist das Zentrosom für Ihre Forschung so spannend?
Magdalena Götz: Das Zentrosom ist ein wichtiges Zellorganell mit vielen Funktion im Zellzyklus, beispielsweise bei der Zellteilung. Einige Erkrankungen im Gehirn sind auf Mutationen von Zentrosom-Proteinen zurückzuführen. Warum diese mutierten Proteine die Entwicklung und Funktion des Gehirns beeinträchtigen, ist noch nicht ganz klar. Mit einer Ausnahme: Im Fall der neuronalen Migrationsstörung „Periventrikuläre Heterotopie“, bei der Nervenzellen nicht an ihre richtige Position wandern, hat meine Gruppe gemeinsam mit der Proteomics Core Facility des Zentrums bereits herausgefunden, dass dies mit speziellen Zentrosom-Bestandteilen menschlicher neuraler Stammzellen zusammenhängt. Anhand dessen könnten wir herausfinden, welche Rolle diese spezifischen Proteine am Zentrosom spielen und welche Auswirkung sie generell auf Störungen der Neuroentwicklung haben.
Wie sehen Ihre nächsten Schritte konkret aus?
Magdalena Götz: Am Beispiel der Periventrikulären Heterotopie werden wir versuchen, Zentrosom-Bestandteile zu reaktivieren und damit die Zellmigration zu befördern. Die Ergebnisse dieses Projekts werden für alle anderen Krankheitsbilder aufgrund abnormer Zellwanderung von großer Bedeutung sein. Im nächsten Schritt werden wir versuchen, mithilfe der CRISPR-Cas9-Methode die spezifische Zusammensetzung des Zentrosoms neuraler Stammzellen über das Ende der Neurogenese hinaus zu erhalten. Dies könnte eine korrekte Zellteilung und Migration nachhaltig ermöglichen. Wenn es uns gelingt, die Neurogenese bis ins Erwachsenenalter fortzusetzen, könnte dies ein bahnbrechender Schritt für die Reparatur des Gehirns sein.
IRONDEATH – „Mit Ferroptose werden wir wahrscheinlich in naher Zukunft in der Lage sein, altersbedingte degenerative Krankheiten zu verhindern oder sogar Krebs effizient zu behandeln.“
Dr. Conrad, worum geht es bei IRONDEATH?
Marcus Conrad: „Eisentod“ steht für „Ferroptose“ – ein Phänomen, das erst seit vergleichsweise kurzer Zeit bekannt ist. Die Ferroptose ist eine natürliche Form des Zelltods, die von Eisen abhängig ist. Sie unterscheidet sich grundlegend von der Apoptose und anderen Zelltodarten und zeichnet sich durch eine oxidative Zerstörung der Zellmembranen aus. Der Grund, warum die Ferroptose für uns so spannend ist, sind die zahlreichen Angriffspunkte, die sich für eine pharmakologische Intervention eignen. Sobald wir in der Lage sind diese besondere Form des Zelltods ausreichend zu manipulieren, ist geplant altersbedingte (neuro)degenerative Krankheiten zu verhindern oder gar Therapie-resistente Krebserkrankungen zu bekämpfen. Doch zunächst müssen wir die metabolischen Prozesse besser verstehen, die letztlich darüber entscheiden, ob Zellen ferroptotisch sterben können oder resistent gegenüber der Ferroptose sind. Seit der ersten Veröffentlichung der Ferroptose als eine neue Form des regulierten Zelltods im Jahr 2012 haben wir große Fortschritte gemacht, indem wir wichtige Einblicke über die zugrundeliegenden molekularen Prozesse erhielten. Tatsächlich hat meine Gruppe in den letzten Jahren eine Reihe von bahnbrechenden Entdeckungen gemacht, die zum besseren Verständnis der Ferroptose erheblich beigetragen haben.
Auf welche Fragen wollen Sie mit diesem Projekt nun Antwort finden?
Marcus Conrad: Zunächst wollen wir herausfinden, ob es noch weitere unbekannte Schaltzentren der Ferroptose gibt, die erklären könnten, warum bestimmte Zellen sehr anfällig für Ferroptose sind und andere nicht. Außerdem müssen wir das initiale sogenannte Ferroptose-auslösende Signal besser verstehen: z.B. wie funktioniert es? Wo ist der subzelluläre Bereich, in dem dieses Signal entsteht? Dies sind entscheidende Fragestellungen, um den gesamten Prozess besser verstehen zu können. Und schließlich: Warum sterben bestimmte Zellen durch Apoptose und andere durch Ferroptose? All diese Fragen können wir nur mit gezielter Grundlagenforschung beantworten.
Blicken wir fünf Jahre in die Zukunft: Wo wird Ihre Forschung stehen?
Marcus Conrad: Ich glaube, dass wir in fünf Jahren in der Lage sein könnten, das Signal, das zum Zelltod durch Ferroptose führt, endlich zu entschlüsseln und zu lokalisieren. Dadurch könnten wir verstehen, warum einige Zellen anfällig für Ferroptose sind, während andere an einem anderen Zelltod sterben. Wenn wir das wissen, kommen wir der Entwicklung Ferroptose-basierter Behandlungen für die personalisierte Medizin einen Schritt näher. Damit könnten wir Patientinnen und Patienten helfen, die entweder an (altersbedingten) degenerativen Erkrankungen oder an Therapie-resistenten Tumoren und Metastasenbildung leiden.
Weitere Informationen zu den Gewinnerinnen und Gewinnern des diesjährigen ERC Advanced Grant: https://erc.europa.eu/news/erc-2019-advanced-grants-results