Ein Aufruf zum Paradigmenwechsel
Bei Menschen mit Typ-1-Diabetes zerstört das Immunsystem die körpereigenen insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse. Patient:innen haben dadurch einen chronischen Insulinmangel, sie sind ihr Leben lang auf die Gabe von Insulin angewiesen. Typ-1-Diabetes ist unheilbar und beeinflusst damit nachhaltig die Lebensqualität der Betroffenen: Weltweit sind etwa 9 Millionen Menschen betroffen, darunter 300.000 Kinder in Europa.
Die Zahl der Neuerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen steigt weltweit an, insbesondere auch während der COVID-19-Pandemie wurde eine Zunahme beobachtet. Während bisherige Screening-Bemühungen hauptsächlich auf die Familiengeschichte ausgerichtet waren, zeigen Statistiken, dass 90 Prozent der Neuerkrankten keine Verwandten mit Typ-1-Diabetes haben. Über 100 Jahre nach der ersten klinischen Anwendung von Insulin fordern die Forschenden darum einen Paradigmenwechsel in der Behandlung und Früherkennung von Typ-1-Diabetes. In einigen europäischen Ländern gibt es bereits nationale Initiativen, wie beispielsweise die Fr1da-Studie in Deutschland. Eine flächendeckende Strategie mit umfassender Evaluation fehlte jedoch bisher.
Die gemeinsame Vision vereint
Mit EDENT1FI – kurz für "European action for the Diagnosis of Early Non-clinical Type 1 diabetes For disease Interception"– möchten die Forschenden diese Lücke nun schließen. Die gemeinsame Vision: die Entstehung von Typ-1-Diabetes im präklinischen Stadium stoppen. Dazu möchte das Konsortium bereits bestehende Screening-Programme optimieren und eine Strategie erarbeiten, um die Früherkennung von Typ-1-Diabetes in europäischen Gesundheitssystemen effektiv zu verankern. So könnte in Zukunft europaweit der Zugang zu krankheitsverzögernden oder präventiven Maßnahmen gewährleistet werden. Zusammengeschlossen haben sich 28 Partner aus 12 Ländern mit Vertretern aus Akademie, Industrie und Patientenorganisationen – darunter auch das Helmholtz Munich Institut für Diabetesforschung unter der Leitung von Anette-Gabriele Ziegler. Menschen mit Typ-1-Diabetes und deren Eltern werden über einen Patientenbeirat in die Aktivitäten von EDENT1FI eingebunden. Das Projekt wird im Rahmen des Horizon Europe-Programms als Innovative Health Initiative (IHI-JU) finanziert und erstreckt sich über fünf Jahre.
„Dank jahrzehntelanger engagierter Forschung, einschließlich wegweisender Studien in Deutschland, können wir heute den Typ-1-Diabetes in einem Frühstadium diagnostizieren. In Deutschland sind wir auf diesem Gebiet mit der Fr1da-Studie international Vorreiter. EDENT1FI ermöglicht uns nun unsere bahnbrechenden Vorarbeiten in ganz Europa anzuwenden. So können wir frühzeitig eine optimale Versorgung für die Betroffenen bereitstellen und den Verlauf der Krankheit verbessern,“ erklärt Anette-Gabriele Ziegler, Leiterin vom Helmholtz Munich Institut für Diabetesforschung und Stellvertretende Leiterin des EDENT1FI Konsortiums.
„Unsere enge Zusammenarbeit wird davon geprägt, dass wir uns einem gemeinsamen Ziel verschrieben haben: wir möchten das Leben von Menschen, die von Typ-1-Diabetes betroffen sind, spürbar verbessern. Gemeinsam wollen wir innovative Ansätze voranbringen, die Diagnose und Versorgung von Typ-1-Diabetes flächendeckend neu definieren werden,“ ergänzt Prof. Chantal Mathieu, KU Leuven, Leiterin von EDENT1FI.