Zum Hauptinhalt springen
blutaufnahme-01-institut-fotoshooting-nozy-andreas pfohl-220727_0085
Helmholtz Munich | Andreas Pfohl

Algorithmen zur Vorhersage von Typ-1-Diabetes bei Kindern

New Research Findings, Diabetes, IDF,

Kinderärzte und Bioinformatiker arbeiten am Helmholtz Munich Institut für Diabetesforschung daran Hand in Hand: Gemeinsam identifizieren sie Kinder mit Typ-1-Diabetes, bevor Symptome auftreten. Mithilfe von maschinellem Lernen und komplexer Statistik können die Forschenden den Verlauf von Typ-1-Diabetes im Frühstadium vorhersagen und den optimalen Zeitpunkt für die eine präventive Therapie ermitteln.

Typ-1-Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das körpereigene Immunsystem die insulinproduzierenden Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse angreift. Betroffene Kinder sind folglich ihr Leben lang auf externe Insulinzufuhr angewiesen. Die Forschung arbeitete in den letzten Jahrzehnten intensiv an neuen Wegen zur Prävention oder Verzögerung des Ausbruchs von Typ-1-Diabetes bei Kindern. Das erste Medikament, das den Beginn der Stoffwechselerkrankung effektiv verzögern kann, wurde letztes Jahr in den USA zugelassen. Die Immuntherapie mit dem monoklonalen Antikörper Teplizumab kann den betroffenen Kindern bis zu drei weitere Jahre ohne Symptome verschaffen. Insbesondere während der Kindheit und Jugend ist mehr Zeit ohne ständige Kontrolle des Blutzuckerspiegels ein entscheidender Faktor für die Lebensqualität der gesamten Familie. Für eine optimale Wirksamkeit muss die Behandlung mit Teplizumab in einem präsymptomatischen Frühstadium der Erkrankung begonnen werden. Erkennen können Mediziner und Forschende ein Typ-1-Diabetes Frühstadium an sogenannten Inselautoantikörper, die als Biomarker im Blut dienen. Mit Screening-Programmen wie der Fr1da-Studie, die vom Helmholtz Munich geleitet wird, können Kinder in der Allgemeinbevölkerung auf solchen Inselautoantikörper getestet werden. So werden Kinder mit Typ-1-Diabetes vor dem Auftreten von Symptomen identifiziert. Dennoch ist es eine Herausforderung, den effektiven Zeitpunkt für den Beginn von präventiver Maßnahmen perfekt abzupassen: während bei einigen Kindern das Voranschreiten der Erkrankung schnell erfolgt, kann es bei anderen Jahre dauern, bis sich die ersten klinischen Symptome entwickeln. Mit Hilfe von komplexen statistischen Methoden und maschinellem Lernen können Forschende von Helmholtz Munich nun personalisiert vorhersagen, wie sich der Krankheitsprozess weiterentwickeln wird. Unterstützt wird ihre Arbeit vom Deutschen Diabetiker-Bund e. V. (DDB).

Den Krankheitsverlauf mit künstlicher Intelligenz vorhersagen

Die Forschenden nutzen immunologische, genetischen und metabolische Daten von Fr1da-Teilnehmern um einen sogenannten Progression Likelihood Score zu entwickleln – durch Vergleiche von Krankheitsverläufen können sie also vorhersagen, wann ein Kind von einem Frühstadium in den klinischen Diabetes übergehen wird. Auf diese Weise können die Forschenden den Zeitpunkt identifizieren, zu dem ein bestimmtes Kind von Präventionsmaßnahmen profitiert. Für eine bereits veröffentlichte Studie analysierten die Forschenden Daten von 447 Kindern, die zwischen 2015 und 2021 in die Fr1da eingeschlossen wurden und mehrere Inselautoantikörper aufwiesen. "Aus früheren Studien wissen wir, dass etwa 0,3 % der deutschen Kinder ein Frühstadium von Typ-1-Diabetes haben und wahrscheinlich innerhalb der nächsten 10 Jahre einen klinischen Typ-1-Diabetes entwickeln werden. Mit unserer Studie wollten wir eine Strategie entwickeln, die uns erlaubt die betroffenen Kinder in Untergruppen einzuteilen. Insbesondere wollten wir die Gruppe von Kindern identifizieren, die ein hohes Risiko hat innerhalb der nächsten 2 Jahre einen klinischen Typ-1-Diabetes zu entwickeln", erklärt José Maria Zapardiel Gonzalo, Bioinformatiker für die Fr1da-Studie.

Vision für die Zukunft

"Um die Effektivität von Präventionsmaßnahmen im späten Frühstadium von Typ-1-Diabetes untersuchen zu können, müssen die richtigen Kinder rekrutiert werden. Unsere Arbeit verbessert diese Rekrutierung im Rahmen eines Bevölkerungsbasierten Inselautoantikörper-Screenings,", erklärt Andreas Weiss, Biostatistiker am Helmholtz Munich Institut für Diabetesforschung. Mit dem Progression Likelihood Score können die Forschenden Kinder mit Typ-1-Diabetes in Stadium 1 in einen schnellen, mittleren und langsamem Krankheitsverlauf einteilen. In der Fr1da-Studie wird diese Einteilung bereits angewendet. "Die Fr1da-Studie steht repräsentativ für die Allgemeinbevölkerung, da die eingeschlossenen Kinder an einem öffentlichen Gesundheits-Screening-Programm teilgenommen haben und nicht aufgrund genetischem oder familiärem Risiko ausgewählt wurden", erklärt Prof. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Helmholtz Munich Institut für Diabetesforschung. Sobald Medikamente wie Teplizumab in Europa verfügbar sind, könnte ihre Forschung dazu beitragen, den perfekten Zeitpunkt für den Beginn der Behandlung zu finden. Die Forschenden setzten nun maschinelles Lernen und künstliche Intelligenz ein: Sie möchten Algorithmen entwickeln, die noch genauere und stabilere Vorhersagen für das Voranschreiten von Typ-1-Diabetes im Frühstadium bei Kindern treffen können.

 

Weitere Informationen

Über die Fr1da-Studie

Die Fr1da-Studie ist das weltweit erste und größte bevölkerungsbasierte Screening zur Früherkennung von Typ-1-Diabetes bei Kindern und begann 2015 in Bayern. Die Studie schließt mittlerweile Kinder im Alter von 2 bis 10 Jahren in Bayern, Sachsen, Niedersachsen und Hamburg ein. Ziel dieser Studie ist die Diagnose von Typ-1-Diabetes in einem präsymptomatischen Frühstadium. Betroffene Kinder und ihre Familien können an einem ausführlichen Schulungsprogramm teilnehmen und erhalten eine ausführliche Nachbetreuung, um eine schwere Stoffwechselentgleisung bei klinischem Auftreten von Typ-1-Diabetes zu verhindern. Über 180.000 Kinder nehmen bisher an der Studie teil. Kinder mit nahen Verwandten mit Typ-1-Diabetes können deutschlandweit zwischen 1 und 21 Jahren teilnehmen. 

Über den Deutschen Diabetikerbund e. V.

Der Deutsche Diabetikerbund e.V. (DDB) ist Deutschlands älteste Selbsthilfeorganisation für Menschen mit Diabetes. Der Verein setzt sich auf bundespolitischer Ebene für die Interessen aller Betroffenen ein.

weiterführende Publikation 

Weiss et. al. (2022): Progression likelihood score identifies substages of presymptomatic type 1 diabetes in childhood public health screening. Diabetologia. DOI: 10.1007/s00125-022-05780-9

Oops, an error occurred! Code: 20240425080835e5b5d0c8