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Covid-19 vaccination with vaccine bottle and syringe injection tool for coronavirus immunization treatment.
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Pandemic Preparedness Im Kampf gegen die Viren

Schon bei der Corona-Pandemie trugen Expert:innen von Helmholtz Munich dazu bei, die Ausnahmesituation schnellstmöglich unter Kontrolle zu bringen. Jetzt wappnen sie sich, falls wieder eine Pandemie kommt: mit neuen High-Tech-Geräten und eng verzahnten Forschungsstrategien.

Schon bei der Corona-Pandemie trugen Expert:innen von Helmholtz Munich dazu bei, die Ausnahmesituation schnellstmöglich unter Kontrolle zu bringen. Jetzt wappnen sie sich, falls wieder eine Pandemie kommt: mit neuen High-Tech-Geräten und eng verzahnten Forschungsstrategien.

Als die ersten Nachrichten von der Pandemie die Runde machten, hat Prof. Ulrike Protzer ihren Schutzanzug und die FFP3-Maske angezogen: Sie selbst wollte aktiv von der ersten Sekunde an ihre Viren-Expertise einbringen, um SARS-CoV2 unter Kontrolle zu bekommen. Die Virologin ist für die Arbeit im Hochsicherheitslabor ausgebildet. „Ich habe selbst schon viele verschiedene Virusstämme angezüchtet“, erinnert sie sich. Aber dass sie ihre Fähigkeiten einmal in einer Pandemie einsetzen müsste, das ahnte die Fachärztin für Virologie zuvor nicht.

Am weltweiten Kampf gegen Corona wirkte Helmholtz Munich erfolgreich mit – dank seiner herausragenden Infrastruktur, aber vor allem dank der erfahrenen Forscher:innen aus der Virologie, der Umweltmedizin, der Datenwissenschaft, der Lungenheilkunde und vielen anderen Bereichen, die mit ihrem jahrelang erarbeiteten Knowhow wichtige Beiträge leisteten.

Jetzt, wo die pandemische Phase beendet ist, steht Ulrike Protzer öfter auf einer Baustelle: Auf dem Campus von Helmholtz Munich wird gerade ein Labor aufgerüstet, „Biosafety Level 3“ heißt es im Fachjargon. Die Abkürzung steht für die Sicherheitsstufe drei, die zweit-höchste für biomedizinische Labors. „Wir konnten bislang vor allem mit Erregern arbeiten, die über das Blut übertragen werden, jetzt sind wir auch für luftübertragene Viren optimal ausgerüstet“, sagt Protzer. Das neue Labor wird auf dem aktuellsten technischen Stand sein: „Wir können darin für alle luftübertragene Erreger die Nachweismethoden durchführen und sogar präklinische Modelle für die Entwicklung von Medikamenten aufstellen.“

Bereit für den Ernstfall

Das gehört zur Vorbereitung, die bei Helmholtz Munich gerade auf Hochtouren läuft: „Perform - React“ heißt das Vorhaben zur Pandemic Preparedness, bei dem es darum geht, schon in den Startlöchern zu stehen, wenn irgendwann eine neue Pandemie droht; also durch bestehende Forschungs-Infrastrukturen bestmöglich vorbereitet zu sein. „Wir haben gesehen, wie viel wir bei Helmholtz Munich beitragen können. Wir brauchen Leute, die wissen, wie man sicher mit Viren umgeht, und wir brauchen den engen Austausch mit der Allergie- und Lungenforschung und weiteren Fachbereichen. Nur dieses Zusammenspiel hat uns ermöglicht zu untersuchen, wie eigentlich die schweren Lungen- und Gewebe-Schäden durch Corona entstehen“, erklärt die Virologin. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit war in der Corona-Pandemie eines der Erfolgsrezepte. Und genau dieser Austausch wird jetzt im Projekt „CoViPa“ zur Virus-Pathogenese noch gezielter verfolgt: Expert:innen tauschen sich regelmäßig über neueste Erkenntnisse und Vernetzungsmöglichkeiten aus.

Interdisziplinäres Engagement als Erfolgsfaktor

Denn auch das hat Corona gezeigt: Zur Bekämpfung einer Pandemie braucht es auch Wissenschaftler:innen aus Disziplinen, die beim ersten Hindenken thematisch weit weg erscheinen. Prof. Claudia Traidl-Hoffmann kennt das: Die Umweltmedizinerin forscht üblicherweise zu Luftschadstoffen, zu Allergien und dazu, wie Umwelteinflüsse den Menschen krank machen oder wie gesunde Umwelt gesund hält. Und auf einmal war sie eng in die Studien zu Corona eingebunden. „Ich habe mich schon vorher damit beschäftigt, welche Umwelteinflüsse die Übertragbarkeit eines Virus beeinflussen“, erzählt sie – und diese Fragestellung gewann in Zusammenhang mit Corona eine ganze neue Bedeutung. „Pandemic Preparedness bedeutet vor allem Prävention – und genau das ist für uns in der Umweltmedizin die vorrangige Aufgabe.“

Hightech-Gerätschaften für den Fall der Fälle

Ein weiterer Schritt zur Pandemic Preparedness bei Helmholtz Munich ist die Strukturförderung: Modernste Geräte und Laborausstattungen werden angeschafft, um „eine Pipeline stehen zu haben“, wie es Traidl-Hoffmann nennt. Sie selbst, die am Standort Augsburg forscht, ist beispielsweise federführend am Projekt Coraero beteiligt, in dem die Verbreitung von Aerosolen untersucht wird, aber auch ihre mögliche Deaktivierung. „Wir haben jetzt zum Beispiel Messgeräte, mit denen wir in Patientenzimmern des Krankenhauses Luft ansaugen und tatsächlich einzelne Viruspartikel nachweisen können“, sagt Claudia Traidl-Hoffmann. Hinzu kommen sogenannte Hochdurchsatzroboter, die im Labor die Untersuchung von hunderten oder sogar tausenden Proben innerhalb kürzester Zeit ermöglichen. Diese Geräte sind Teil der Biomarker-Pipeline. „Die Analysen von Bioproben der Corona-Pandemie haben uns ermöglicht, Biomarker zu identifizieren, die einen schweren Verlauf der Erkrankungen bereits am ersten Tag der festgestellten Infektion vorhersagen.“ Das Ziel ist es jetzt, diese Vorhersagemodelle weiterzuentwickeln und für eine mögliche nächste Pandemie zur Hand zu haben, um dann schwere Fälle direkt in die intensivierte Behandlung zu geben. „Auch das ist Pandemic-Prepardness“, sagt Claudia Traidl-Hoffmann: „Früherkennung, Vorhersagen und Risikoabschätzung auf dem persönlichen Level.“

Mit Sicherheit Erreger erforschen

Es ist ein ebenso großes Vorhaben wie das neue Hochsicherheitslabor am Campus von Helmholtz Munich, in dem auch Virologin Ulrike Protzer mit ihrem Team arbeiten wird. Das Labor ist mit allen technischen Finessen ausgerüstet: Zur Standardausstattung gehören eine luftabgeriegelte Eingangsschleuse, Räume mit Unterdruck, spezielle Arbeitstische, hocheffiziente Lüftungs- und Filtersysteme, eine Anlage zur Hitze-Inaktivierung und ein ausgeklügeltes Sicherheitskonzept, mit dem sich verhindern lässt, dass Erreger aus dem Labor austreten können. Das Ziel ist bei allen diesen High-Tech-Gerätschaften das gleiche: Je besser und eingehender sich ein möglicher neuer Erreger untersuchen lässt, desto schneller finden sich Ansatzpunkte für eine Behandlung und umso schneller können neue Behandlungs-Ansätze bei Helmholtz Munich getestet werden.

Erkenntnisse für die nächste Pandemie

So unvorhersehbar eine neue Pandemie auch ist, stehen doch einige Eckpunkte schon fest. „Pandemien gehen typischerweise von Erregern aus, die das menschliche Immunsystem bislang nicht gesehen hat“, erläutert Virologin Protzer. „Und klar ist auch, dass sie über die Luft übertragen werden, so wie SARS-CoV-2. Denn sonst können sie sich nicht so schnell über die Welt ausbreiten.“ Den potenziell pandemischen Erregern ist auch gemein, dass sie eine Immun-Pathologie auslösen, also eine Fehlfunktion des Immunsystems. „Die betrifft fast immer die Lunge, es kommt zu Lungenentzündungen und Lungenversagen. Häufig sind zusätzlich auch andere Organe betroffen: das Gehirn, die Nerven, auch das Herz“, sagt Protzer. Das Ziel der Forschung ist es, hinter die Mechanismen zu kommen, die im Körper ablaufen: Warum können sich Erreger dauerhaft im Gehirn festsetzen? Warum gelingt es ihnen so erfolgreich, die Lunge und das Herz zu schädigen? „Das sind Forschungsfragen, für deren Beantwortung wir Virologinnen und Virologen mit anderen Kollegen von Helmholtz Munich zusammenarbeiten. Dafür ist viel Hightech nötig, von bildgebenden Verfahren über die Datenanalyse bis hin zu Sequenzier- und Proteinanalysemethoden auf der Einzelzell-Ebene“, sagt Protzer. Diese Methoden sind nötig, um zu verstehen, warum ein unbekannter Erreger so zerstörerisch im menschlichen Körper wirkt. „Und nur, wenn wir das verstehen, wenn wir den Pathomechanismus kennen und deshalb gezielt in ihn eingreifen können, lassen sich Ansatzpunkte für eine Therapie finden.“

Die Pille in der Hand

Genau das gehört zur Pandemic Preparedness: Jetzt schon zu studieren, was genau Coronaviren  anrichten können – oder auch Influenza- und Flaviviren. Denn: Alle diese Erregergruppen gelten als mögliche Auslöser einer nächsten Pandemie. Das Ziel ist klar, sagt Ulrike Protzer: „Wir möchten gern die Pille schon in der Hand halten, wenn das nächste Virus kommt – das wäre unser Traum.“

Letzte Aktualisierung: März 2023.

Die Wissenschaftlerinnen

Prof. Dr. Ulrike Protzer

Deputy Head of the Molecular Targets and Therapeutics Center, Director Virology Profil anzeigen
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Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann

Director of the Institute of Environmental Medicine Profil anzeigen

Das Projekt wird gefördert von

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