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Magdalena Götz
Helmholtz Munich I Jan Roeder

Interview Hirnverletzungen mit Zellersatztherapie heilen

Prof. Magdalena Götz erzählt in diesem Interview von ihrer Forschung: der Reprogrammierung von Gliazellen und deren Einsatz für die Zellersatztherapie bei Hirnverletzungen sowie neurologischen und neurodegenerativen Erkrankungen – und auch über ihre Erfahrungen als Frau in der Wissenschaft.

Prof. Magdalena Götz erzählt in diesem Interview von ihrer Forschung: der Reprogrammierung von Gliazellen und deren Einsatz für die Zellersatztherapie bei Hirnverletzungen sowie neurologischen und neurodegenerativen Erkrankungen – und auch über ihre Erfahrungen als Frau in der Wissenschaft.

"Diversität ist notwendig, damit ein System funktioniert: Im Gehirn müssen Zellen unterschiedliche Aufgaben übernehmen, ein Forschungsteam ist umso wirkungsvoller, je mehr Inspirationen es gibt: Hier bereichern vor allem unterschiedliche Gedanken und Haltungen sowie spezialisiertes Wissen."
Prof. Magdalena Götz, Direktorin des Stem Cell Center, Direktorin des Instituts für Stammzellforschung, Leiterin der Forschungsgruppe Neuronale Stammzellen

 

Prof. Magdalena Götz machte eine bahnbrechende Entdeckung: Sie erkannte, dass Gliazellen, die bis dahin nur als Stützzellen betrachtet wurden, tatsächlich aber die neuralen Stammzellen des Gehirns sind.

Worum geht es in Ihrer Forschung?

MG: Ich erforsche, wie sich das Gehirn entwickelt, insbesondere wie Neuronen entstehen und wie wir diese Entdeckungen und Mechanismen nutzen können, um verlorene Neuronen nach einer Hirnverletzung zu ersetzen.

Was erforscht Prof. Magdalena Götz?

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Welche Erkenntnis hat Ihre Forschung stark beeinflusst?

MG: Eine bahnbrechende Entdeckung war, dass Gliazellen während der Entwicklung des Gehirns die Funktion von neuralen Stammzellen übernehmen. Diese Erkenntnis nutzten wir dann im Zusammenhang mit Hirnverletzungen, wir stellten uns der Herausforderung: Können wir Gliazellen dazu bringen, die Neurogenese wieder aufzunehmen oder können wir sie in neue Neuronen umwandeln und damit fehlende Zellen ersetzen?

Neurogenese

Unter Neurogenese versteht man, dass Nervenzellen aus Vorläuferzellen oder Stammzellen während der Embryonalentwicklung oder im erwachsenen Nervensystem gebildet werden.

Sie wollten Gliazellen im erwachsenen Gehirn zu Neuronen umprogrammieren?

MG: Ja - und es hat tatsächlich funktioniert! Mit dieser Entdeckung eröffneten wir das Feld der direkten neuronalen Reprogrammierung: Wir haben einen Weg gefunden, verlorene Neuronen zu ersetzen, beispielsweise bei Schlaganfall, traumatischen Hirnverletzung oder neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer – bei all diesen Krankheiten gehen Neuronen verloren und werden vom Körper nicht ersetzt.

“Meine Motivation ist es, diese neuronale Reprogrammierung und damit die neuronale Zellersatztherapie weiter voranzutreiben, um Hirnverletzungen sowie neurologische und neurodegenerative Erkrankungen zu heilen.”

Prof. Magdalena Götz

 

Was sind Ihre neuesten Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Reprogrammierung von Gliazellen?

MG: Wir haben kürzlich Zellen gefunden, die wir in Neuronen umwandeln können – und zwar nicht nur in einer Petrischale, sondern direkt im Gehirn von vorklinischen Modellen!

Zusätzlich haben wir entdeckt, dass Zell-Organellen für die Entwicklung und Umwandlung von Zellen eine besondere Bedeutung haben.

Radiale Gliazellen

Gliazellen sind alle Zellen im Gehirn, die keine Neuronen sind. Deshalb wurden sie ursprünglich als Stützzellen definiert – also Zellen, die Neuronen mit Nährstoffen versorgen und stützen.

In der Entwicklung des Gehirns gibt es nur einen einzigen Gliazelltyp, die radialen Gliazellen. Sie haben ihren Namen von den verlängerten Fortsätzen. Aus einer ursprünglichen Gliazelle bilden sich später viele andere Gliazellen mit unterschiedlichen Funktionen. Prof. Magdalena Götz und ihr Team haben die radialen Gliazellen als Stammzellen des Gehirns identifiziert.

Was sind Zell-Organellen?

MG: Organellen sind spezifische Unterkompartimente in Zellen, die eine bestimmte Funktion haben. Mitochondrien sind ein Beispiel: Sie sind die Kraftwerke der Zellen, die Energie liefern. Spannend ist, dass ihre Funktion und Zusammensetzung in Gliazellen und Stammzellen ganz anders ist als in Neuronen.

Welche Auswirkungen hat das?

MG: Wenn wir Gliazellen in Neuronen umwandeln, bleibt die Funktion dieser Kraftwerke oft auf der Strecke – und dann ist die Zelle nicht funktionsfähig. Kürzlich haben wir jedoch herausgefunden, wie wir dies verhindern und damit die direkte neuronale Reprogrammierung verbessern können.

Sie sind eine erfahrene Team-Leiterin: Was bedeutet Diversität für Sie – vor allem in Bezug auf die Zusammensetzung eines Teams?

MG: Ich empfinde Diversität in unserem Forschungsteam als wichtig: Es ist wertvoll, mit Menschen aus der ganzen Welt, aus verschiedenen Kulturen, mit unterschiedlichem Hintergrund und unterschiedlicher Orientierung zusammenzuarbeiten. Jeder denkt ein bisschen anders, und das ist eine wertvolle Ressource für originelle Ideen, Brainstorming und wissenschaftliche Arbeit. Genau das macht Wissenschaft aus. Daher empfinde ich Wissenschaft in dieser Hinsicht als genauso kreativ wie Kunst.

Was sind Ihre Erfahrungen als Wissenschaftlerin?

MG: Als Frau in der Wissenschaft gibt es manchmal Überraschungen. Ich erinnere mich an eine meiner ersten Ausschusssitzungen: Ich befand mich im Bewerbungsprozess für eine Stelle und der Leiter des Gremiums sagte mir, ich solle Kaffee kochen, weil ich als Frau das sicher besser könne als er. Natürlich habe ich keinen Kaffee gekocht …

Prof. Magdalena Götz über ihre Erfahrungen als Forscherin.

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Zurück zu Ihrer Forschung: War es bereits zu Beginn ihr Ziel eine Zellersatztherapie zu erforschen?

MG: Nein, ich habe Grundlagenforschung betrieben, mich für die Entwicklung des Gehirns interessiert: Erst als ich entdeckte, dass radiale Gliazellen neurale Stammzellen sind, habe ich beschlossen zu untersuchen, ob wir auch Gliazellem im erwachsenen Gehirn nach Verletzung wieder zur Bildung von Neuronen anregen können.

Welche Möglichkeiten bietet Helmholtz Munich Ihre Forschung voranzubringen?

MG: Helmholtz Munich bietet die Möglichkeit, Grundlagenforschung zu betreiben und solche Entdeckungen zu machen. Mit den hier vorhandenen Kooperationen, kann ich hier außerdem eng mit Kolleg:innen aus dem Bereich Epigenetik die direkte neuronale Reprogrammierung erforschen zusammenarbeiten und mit dem Biomedizinischen Zentrum der medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München in die klinische Anwendung bringen.

Was ist ihr nächstes Ziel?

MG: Ich möchte die richtigen Arten von Neuronen zu erzeugen, um mit ihnen wirksame Therapien für neurologische und neurodegenerative Erkrankungen zu entwickeln.

Letzte Aktualisierung: März 2024.