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Shot of corridor in working data center filled with rack servers and supercomputers AI background
Irina Sharnina - stock.adobe.com

Künstliche Intelligenz gegen Krankheiten einsetzen

Künstliche Intelligenz (KI) wird in der Medizinforschung immer wichtiger und Helmholtz Munich zählt zu den weltweit führenden Instituten auf diesem Gebiet. Sie kann Tumore ebenso gut erkennen wie schwere Augenkrankheiten.

Künstliche Intelligenz (KI) wird in der Medizinforschung immer wichtiger und Helmholtz Munich zählt zu den weltweit führenden Instituten auf diesem Gebiet. Sie kann Tumore ebenso gut erkennen wie schwere Augenkrankheiten.

Manchmal reicht ein einziges Bild, um ein Leben zu verbessern. Das Foto einer Netzhaut zum Beispiel hat Prof. Fabian Theis als einen Maßstab für seine Arbeit genommen: Wenn eine künstliche Intelligenz, an der er mit seinem Team arbeitet, diese Aufnahme analysiert, erkennt sie schwere Augenkrankheiten – vollautomatisch. „Damit könnten Kliniken und Praxen wertvolle Zeit gewinnen und viele Menschen vor dem Verlust ihrer Sehkraft bewahren“, sagt der Biophysiker, der bei Helmholtz Munich das Computational Health Center und das Institut für Computational Biology leitet.

 

"Mittels KI könnten Kliniken und Praxen künftig wertvolle Zeit gewinnen und viele Menschen vor dem Verlust ihrer Sehkraft bewahren"

Theis arbeitet dazu nicht nur mit Mediziner:innen zusammen, sondern auch mit Informatiker:innen, Physiker:innen und Biolog:innen. Seine Arbeit ist an der Spitze des technisch Machbaren: Aus gewaltigen Datenmengen gewinnt das Team wertvolle Informationen zu Krankheiten und zu den molekularen Mechanismen, die sie auslösen. Künstliche Intelligenz, Machine- und Deep-Learning-Methoden bilden dabei den Hightech-Dreiklang, der diesen Analysen zu Grunde liegt – diese Methoden sind es, dank derer die Forschung heute in Bereiche vordringen kann, die für Mediziner:innen noch vor wenigen Jahren verschlossen waren.

Augenlicht retten

Ein Beispiel ist die Herausforderung „Augenlicht retten“, die mit den Fotos von der Netzhaut zusammenhängt. Sie ist eines der Themen, auf das Fabian Theis seine hochmodernen Methoden anwendet. Die Funktionsweise ist so ähnlich wie auch auf anderen Gebieten, wo künstliche Intelligenz in der Medizin zum Einsatz kommt: Das Team speist einen Computer mit hunderten Aufnahmen von Netzhäuten des menschlichen Auges – mit gesunden ebenso wie mit erkrankten in verschiedenen Stadien. Die künstliche Intelligenz lernt die Unterschiede zu erkennen. Wenn sie dann nach diesem Training weitere Aufnahmen von Netzhäuten analysieren soll, gelingt ihr mit großer Zuverlässigkeit eine Diagnose. Theis und sein Team konnten bei der altersbedingten Makuladegeneration und der diabetischen Retinopathie schon Erfolge erzielen – zwei Netzhauterkrankungen, die im schlimmsten Fall zur Erblindung führen können.

"Ein von uns neu entwickelter Algorithmus schafft es, diese Krankheiten automatisiert im Scan eines Auges zu erkennen – und dies bereits in einem sehr frühen Stadium, wenn Therapien noch gut anschlagen“, sagt Fabian Theis. Der Algorithmus kann sogar in die Zukunft blicken und Vorhersagen darüber treffen, wie sich die Augenkrankheit entwickeln wird und welche Therapie sich am besten zur Behandlung eignet.

Helmholtz Munich spielt bei der Nutzung von künstlicher Intelligenz in der Medizinforschung an der Spitze. Die zahlreichen Arbeitsgruppen und Institute erschließen stetig neue Felder aus dem Bereich der Medizinforschung, die sie mit den hochmodernen Methoden ergründen.

"Menschliche Intelligenz ist den Computern immer noch überlegen. Aber künstliche Intelligenz hat das Zeug dazu, die Ärztinnen und Ärzte wirkungsvoll zu unterstützen."

Julia Schnabel leitet bei Helmholtz Munich das Institut für Maschinelles Lernen in der Biomedizinischen Bildgebung. Die Informatikerin konzentriert sich mit ihrem Team auf die Auswertung von Bildern: Aus der Masse an medizinischen Bildern – seien es Röntgen- oder Ultraschallaufnahmen oder hochaufgelöste Magnetresonanztomographien – soll eine künstliche Intelligenz künftig Krankheiten erkennen. Und das idealerweise noch lange, bevor sie sich bemerkbar machen. Die KI trainiert dabei mit großen Datensätzen von bekannten Krankheitsverläufen und intelligente Simulationen können dann potentielle Anomalien auch schon bei Kindern automatisch identifizieren. So sollen künftig Ärzt:innen in ihrer Arbeit unterstützt werden.

Zufallsfunde und Frühdiagnosen durch KI optimieren

„Ein guter Radiologe findet auf den Bildern eines Patienten manchmal Hinweise, nach denen er gar nicht gesucht hat“, erläutert Schnabel das Vorgehen, das ihr auch für den Einsatz von Computern vorschwebt: „Wenn jemand zum Beispiel nach einem Fahrradunfall mit einem Röntgenbilduntersucht wird und der Arzt dabei erkennt, dass sich in seiner Lunge ein Krebs im Anfangsstadium befindet, dann spricht man von inzidentiellen Befunden.“ Durch eine solche zufällige Entdeckung kann der Patient so frühzeitig behandelt werden, dass es beste Heilungschancen gibt – viel bessere jedenfalls, als wenn er möglicherweise erst Jahre später wegen Atembeschwerden einen Arzt aufgesucht hätte und der Tumor dann schon weit fortgeschritten wäre und möglicherweise Metastasen gebildet hätte.

Nichts dem Zufall überlassen: Mit KI die Vorsorgeuntersuchungen systematisieren

Das Ziel von Julia Schnabel und ihrem Team ist es jetzt, diesen Zufall aus den inzidentiellen Befunden auszumerzen. Der Hintergedanke: Wenn man eine künstliche Intelligenz systematisch die Bilder auswerten lässt, die bei medizinischen Untersuchungen ohnehin gemacht werden – lässt sich dann nicht die Vorsorge systematisieren? „Unser Traum ist es, jeden Scan, der von jedem Menschen gemacht wird, dazu nutzen zu können“, sagt Schnabel – und weil sie um die Sorgen vor gläsernen Patient:innen weiß, schiebt sie gleich hinterher: „Wir müssen uns vor Augen halten, was wir dadurch gewinnen – jeder einzelne von uns: Wenn man zum Beispiel Krebs rechtzeitig erkennen kann oder bei Teenagern schon präventiv therapieren kann, weil sie ein sehr hohes Risiko für den späteren Ausbruch einer bestimmten Krankheit haben, dann können wir damit Menschenleben retten.“

 

Bei präziser medizinischer KI gilt: Jeder Pixel zählt!

Die Menge der verfügbaren Bilder ist ein Schlüsselfaktor bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz: Je mehr Daten von Patient:innen in Form von medizinischen Bildern vorliegen, desto präziser kann die künstliche Intelligenz ihre Rückschlüsse daraus ziehen. „Bei meiner Diplomarbeit habe ich mit drei Bildern gearbeitet“, sagt Julia Schnabel und weiß, dass sie mit diesem Beispiel am besten illustrieren kann, wie sehr sich ihr Gebiet im Laufe der vergangenen Jahre entwickelt hat: Heute kommen die Computer auch mit tausenden Bildern klar, zugleich hat sich ihre Analysetiefe gewaltig vergrößert.

Aber vielfach gibt es einfach nicht ausreichend Bilddaten, die die Forschenden nutzen können. Manchmal scheitert das am Datenschutz, manchmal auch daran, dass Kliniken die Bilder nicht digitalisiert vorliegen haben oder die Diagnosen der Ärzt:innen nicht in einer Form verfasst sind, mit der die Computer arbeiten können. Die UK Biobank aus Großbritannien mit 100.000 Bilddaten oder auch die deutsche Nationale Kohorte mit ihren 30.000 Proband:innen sind da für die Forschung von Julia Schnabel und ihrem Team eine große Hilfe – aber eben nur für beschränkte Anwendungsbereiche. „Mit 1.000 Aufnahmen kann man schon viel machen, und manchmal wäre ich auch über 100 schon glücklich“, sagt sie: „Für uns zählt jeder einzelne Pixel.“

Es ist ein junges Feld in der Medizinforschung, das sich im Bereich der künstlichen Intelligenz aufgetan hat. Wie schnell es aber voranschreitet und welche Chancen sich dadurch auftun, lässt sich allein schon daran erkennen, dass bei Helmholtz Munich jedes Jahr neue Arbeitsgruppen entstehen, immer neue Expert:innen mit an Bord kommen und die Computerleistung beständig wächst. Dieses Tempo des Fortschritts ist es, das für die Forschenden einen Teil der Faszination ausmacht. „So ein schnelles Gebiet habe ich noch nie kennengelernt“, sagt beispielsweise Fabian Theis, „nicht einmal die Computertechnik macht so rasante Fortschritte.“

Für Patient:innen ist das eine gute Nachricht, denn die erfolgreiche Therapie von Erkrankungen wird dank künstlicher Intelligenz immer wahrscheinlicher – ob es nun um eine gefährliche Erkrankung der Netzhaut oder um   zufällig entdeckte Tumore geht.

Mehr zu Computational Health bei Helmholtz Munich

Hier finden Sie weitere Informationen zum Computational Health Center

Besuchen Sie auch die Webseite von Prof. Fabian Theis und das Institute of Computational Biology und Prof. Julia Schnabel und das Institute of Machine Learning in Biomedical Imaging. 

Letzte Aktualisierung: Oktober 2023.