Skip to main content
HMGU_Icon_Computat_Health
Helmholtz Munich I Daniela Barreto

Gemeinsame biologische Mechanismen bei psychischen Erkrankungen entdeckt

Featured Publication, Computational Health,

Forschende haben gemeinsame biologische Mechanismen bei Depressionen, bipolaren Störungen und Schizophrenie identifiziert. Dank genetischer Analysen auf Exon-Ebene gewinnen sie neue Einblicke in die Krankheitsursachen. Die Ergebnisse gelten als wichtiger Schritt hin zu einer biologisch fundierten Klassifikation und Behandlung psychischer Erkrankungen.

Forschende von Helmholtz Munich, am Max-Planck-Institut für Psychiatrie (MPI), und der Universität Sydney haben biologische Prozesse identifiziert, die bei verschiedenen psychiatrischen Erkrankungen eine gemeinsame Rolle spielen. Dazu analysierten sie postmortale Hirngewebeproben aus dem dorsolateralen präfrontalen Kortex – einer Hirnregion, die für Denkprozesse und Emotionen zuständig ist und häufig bei psychischen Erkrankungen verändert ist. Dabei wurden Gewebeproben von betroffenen Personen, viele davon Schizophrenie-PatientInnen, und von gesunden Kontrollpersonen untersucht. 

Das Forschungsteam kombinierte verschiedene Ebenen genetischer Information. „Im Gegensatz zu Studien, die sich auf die gesamte Genexpression konzentrieren, haben wir die Exon-Expression untersucht, um die feinere Struktur der Gene zu entschlüsseln. Dieser detaillierte Ansatz lieferte uns einen umfassenderen Einblick in den Einfluss genetischer Variationen auf das Krankheitsrisiko“, erklärt Erstautorin Karolina Worf. 

Exons sind die entscheidenden, informationshaltigen Abschnitte eines Gens. Sie liefern nicht nur die Bauanleitung für Proteine, sondern bestimmen auch, welche verschiedenen Proteinvarianten letztlich aus einem einzigen Gen entstehen. Das geschieht durch sogenanntes alternatives Spleißen – ein Prozess, der bei über 95 Prozent der menschlichen Gene stattfindet. 

Die Analyse der Exon-Ebene war ein wichtiger Schritt: Während sich Gewebeproben von PatientInnen und Gesunden auf der Gen-Ebene nicht voneinander unterschieden, war der Unterschied auf der Exon-Ebene deutlich erkennbar. „Das Krankheitsrisiko scheint also nicht nur vom Vorhandensein eines Gens abzuhängen, sondern auch von dessen Verarbeitung“, erklärt Janine Knauer-Arloth, Wissenschaftlerin am Computational Health Center bei Helmholtz Munich und Leiterin der Projektgruppe Medizinische Genomik am MPI. 

Das Team integrierte verschiedene genetische Daten, darunter Single Nucleotide Polymorphisms (SNPs), also Veränderungen einzelner Basenpaare in der DNA, seltene genetische Varianten sowie polygene Risikoscores, die das genetische Gesamtrisiko für eine Erkrankung angeben. So konnten die Forschenden Störungen in Signalwegen des zirkadianen Rhythmus (der inneren Uhr), der Ausschüttung des Stresshormons Cortisol und des Botenstoffs Dopamin aufzeigen – und zwar bei allen drei untersuchten Erkrankungen. 

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass psychische Erkrankungen sich tiefgehende biologische Grundlagen teilen. Langfristig kann dieses Wissen Forschenden dabei helfen, psychische Erkrankungen nicht nur anhand von Symptomen, sondern auf Basis biologischer Merkmale zu gruppieren. Dieser Paradigmenwechsel könnte in Zukunft eine präzisere Diagnose und Behandlung ermöglichen. 

 

Original-Publikation

Worf et al., 2025: Exon-variant interplay and multi-modal evidence identify endocrine dysregulation in severe psychiatric disorders impacting excitatory neurons. Translational Psychiatry. DOI: 10.1038/s41398-025-03366-8

Dr. Janine Knauer-Arloth

Postdoc