Das Unsichtbare sichtbar machen Ali Ertürks bahnbrechende Fortschritte in der biomedizinischen Bildgebung
Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die komplexesten Netzwerke und Prozesse in ganzen Körpern sichtbar werden – bis hin auf die Ebene einzelner Moleküle. Genau das ermöglicht die bahnbrechende Forschung von Ali Ertürk. Sie eröffnet neue Perspektiven für die Medizin und verändert grundlegend unser Verständnis von Krankheiten und die Art und Weise, wie wir sie behandeln.
Stellen Sie sich eine Welt vor, in der die komplexesten Netzwerke und Prozesse in ganzen Körpern sichtbar werden – bis hin auf die Ebene einzelner Moleküle. Genau das ermöglicht die bahnbrechende Forschung von Ali Ertürk. Sie eröffnet neue Perspektiven für die Medizin und verändert grundlegend unser Verständnis von Krankheiten und die Art und Weise, wie wir sie behandeln.
Professor Ali Ertürk revolutioniert die medizinische Forschung, indem er das Unsichtbare im menschlichen Körper sichtbar macht. Seine wegweisende Arbeit bietet einen noch nie dagewesenen Blick auf die komplexen Strukturen des Körpers bis hin zu einzelnen Molekülen. Sie hat das Potenzial, die Diagnose und Behandlung von Krankheiten grundlegend zu verändern. Als Direktor des Instituts für Intelligente Biotechnologien bei Helmholtz Munich entwickeln Ertürk und sein Team nicht nur Spitzentechnologien, sondern definieren auch unser Verständnis biologischer Prozesse neu. Durch die Integration künstlicher Intelligenz (KI) wollen sie diese Erkenntnisse in medizinische Anwendungen übersetzen. Diese Verbindung könnte schnellere und präzisere Diagnoseinstrumente schaffen, die sowohl Zeit als auch Ressourcen sparen. Ertürks Innovationen ebnen den Weg für eine Zukunft, in der Krankheiten früher erkannt und präziser behandelt werden können – möglicherweise ohne den Einsatz von Tierversuchen.
Durchbrüche in der Bildgebung: DISCO-Technologien
Die Wurzeln von Ertürks Forschung reichen zurück in seine Promotionszeit in den 2010er Jahren, als er sich mit der Regeneration des Rückenmarks beschäftigte. „Viele Wissenschaftler haben Tiere mit Rückenmarksverletzungen untersucht, um Behandlungsmöglichkeiten zu finden. Doch oft ließen sich die Ergebnisse nicht reproduzieren, weil wir nur Segmente der Rückenmarksnerven, der Axone, beobachten konnten.“ Diese Herausforderung motivierte ihn, eine bessere Methode zu suchen – eine, die biologische Strukturen in ihrer Gesamtheit sichtbar macht und den Bedarf an Tierversuchen reduziert.
Seine Suche führte zur Entwicklung von 3DISCO – der Abkürzung für „3D Imaging of Solvent Cleared Organs“ – während seiner Promotion. Diese innovative Technik ermöglichte eine deutlich bessere Visualisierung von Axonen und Regenerationsprozessen, indem ganze Organe transparent gemacht wurden. Der Prozess selbst war bahnbrechend: Körpergewebe wird einer Reihe chemischer Behandlungen unterzogen, um es transparent zu machen.
Durch die Transparenz ganzer Organismen können Forschende biologische Systeme in ihrer natürlichen, dreidimensionalen Struktur und vollen Komplexität untersuchen. „Mit 3DISCO konnten wir das gesamte Netzwerk von Nerven in drei Dimensionen sehen – ein bedeutender Fortschritt gegenüber herkömmlichen Methoden“, erklärt Ertürk.
Fortschritte in der Gewebetransparenz
3DISCO hatte jedoch seine Grenzen. Es konnte nur bestehende fluoreszierende Signale sichtbar machen. Forschende konnten damit nur Proteine oder Moleküle nachweisen, die eine eigene Fluoreszenz aufwiesen. Um dieses Problem zu lösen, entwickelte Ertürk gemeinsam mit seinem Team kurz nach 3DISCO die WildDISCO-Technologie. Mit dieser Technik können die Forschenden jede beliebige Struktur im Gewebe mithilfe von Antikörpern markieren. So ließ sich das Spektrum dessen, was innerhalb transparenter Gewebe sichtbar gemacht werden kann, erheblich erweitern.
Ein entscheidender Vorteil von WildDISCO ist, dass dabei herkömmliche Antikörper spezifische Proteine im Gewebe markieren, ohne dass gentechnisch veränderte Tiere erforderlich sind. Das vereinfacht und beschleunigt die Forschung erheblich. „Mit WildDISCO haben wir die Grenzen von 3DISCO überwunden“, sagt Ertürk.
„Nun können wir jede Struktur, die wir untersuchen möchten, mit Antikörpern markieren und erhalten so ein umfassendes Bild biologischer Systeme.“
Anwendungen und Fallstudien: Adipositas und Onkologie
Adipositas ist ein herausragendes Beispiel für das Potenzial von WildDISCO. Um die Ursachen dieser Krankheit zu untersuchen, arbeiten Forschende mit Mäusen. Ziel ist es, die Veränderungen im gesamten Körper eines adipösen Tieres zu verstehen. Mithilfe von WildDISCO untersuchen Ertürk und sein Team sowohl normale als auch adipöse Mäuse, die unter identischen Bedingungen aufgezogen wurden, aber unterschiedliche Diäten erhielten. „Wir machen beide Typen transparent und analysieren dann ihre Nervensysteme“, erklärt er. „Wie sind die Nerven unter normalen Bedingungen verbunden, und wie verändern sie sich bei adipösen Tieren? Mit dieser Technologie können wir jedes Gewebe untersuchen und zum ersten Mal eine Vielzahl von Krankheiten unvoreingenommen erforschen.“
Auch in der Onkologie findet WildDISCO Anwendung und bietet bedeutende Vorteile für die medizinische Praxis. In einer Studie verfolgten Forschende die Entwicklung von Metastasen im gesamten Organismus, um zu verstehen, wie sie sich ausbreiten.
„Durch die Kombination von Bildgebung und molekularer Analyse können wir Metastasen im Körper eines Tieres lokalisieren, isolieren und ihre molekulare Struktur untersuchen“, sagt Ertürk. „Das ist wichtig, um zielgerichtete Therapien zu entwickeln, die direkt an den molekularen Ursachen der Tumorentstehung ansetzen.“
Innovationen in der Datenanalyse: DELiVR
Um die großen Datenmengen, die durch DISCO-Technologien generiert werden, effektiv zu nutzen, entwickelte Ertürks Team DELiVR – „Deep Learning in Virtual Reality“. Diese technische Plattform kombiniert Deep Learning mit virtueller Realität, um Zellen oder Proteine in dreidimensionalen Datensätzen automatisch zu erkennen.
Virtuelle Realität verändert die Arbeit mit komplexen Datensätzen grundlegend: Mit VR-Brillen können Wissenschaftler:innen Bilddaten in 3D visualisieren, drehen und analysieren, was deren Eignung für maschinelles Lernen in KI-Modellen optimiert. Das verbessert die Genauigkeit und Effizienz der KI-Modelle von Ali Ertürk erheblich.
Indem Algorithmen Strukturen aus allen möglichen Blickwinkeln gezeigt werden, erhält die KI ein umfassendes Verständnis der Zielstrukturen. „In diesen großen Datensätzen, die wir mit WildDISCO generieren, ist alles dreidimensional. Die KI versteht wirklich, wie unsere Zielstrukturen aus allen Perspektiven aussehen. Das macht sie viel leistungsfähiger als herkömmliche Methoden, die auf zweidimensionalen Bildern basieren“, betont Ertürk.
Fortschritte in der räumlichen Proteomik
Ertürks Forschung hat auch bedeutende Fortschritte in der räumlichen Proteomik ermöglicht, die von der Fachzeitschrift Nature Methods zur „Methode des Jahres 2024“ gekürt wurde. Durch die Kombination von fluoreszierender Bildgebung und Gewebetransparenz liefert die räumliche Proteomik Erkenntnisse, die mit Standardmethoden bislang nicht zugänglich waren. Sie erlaubt die dreidimensionale Analyse der Proteinverteilung in intakten menschlichen Organen und könnte zu wirksameren Behandlungen und Diagnosen führen.
Tierversuche reduzieren
Ertürks Forschung ermöglicht nicht nur die frühzeitige Diagnose und präzise Überwachung von Krankheiten, sondern trägt auch dazu bei, den Bedarf an Tierversuchen zu reduzieren. Seine Vision ist eine Zukunft, in der Experimente an Tieren durch digitale Simulationen ersetzt werden.
Wirkung und Visionen
Die wissenschaftliche Gemeinschaft würdigt die wegweisende Bedeutung von Ertürks Arbeit in weiten Kreisen. Seine Innovationen gelten als bahnbrechend und revolutionieren die Art und Weise, wie komplexe biologische Systeme untersucht werden. Die Fähigkeit, gesamte neuronale Netzwerke in ihrem natürlichen Zustand sichtbar zu machen, wird als beispiellos angesehen und eröffnet völlig neue Perspektiven für die Forschung.
„Wir verfügen über weltweit einzigartige Daten und Technologien. Jetzt müssen wir sie nutzen, um die medizinische Forschung in eine neue Ära zu führen.“
Prof. Ali Ertürk
Ali Ertürks Forschung zu Long COVID
Wussten Sie schon?
Ali Ertürk und sein Team haben einen Mechanismus identifiziert, der möglicherweise die neurologischen Symptome von Long COVID erklärt. Die Studie zeigt, dass das SARS-CoV-2-Spike-Protein in den schützenden Schichten des Gehirns, den Hirnhäuten, und im Knochenmark des Schädels bis zu vier Jahre nach der Infektion verbleibt. Diese dauerhafte Präsenz des Spike-Proteins könnte bei den Betroffenen chronische Entzündungen auslösen und das Risiko für neurodegenerative Erkrankungen erhöhen. Das Team unter Leitung von Prof. Ali Ertürk, Direktor des Instituts für Intelligente Biotechnologien bei Helmholtz Munich, stellte zudem fest, dass mRNA-COVID-19-Impfstoffe die Anreicherung des Spike-Proteins im Gehirn deutlich reduzieren. Das nach einer Infektion verbleibende Spike-Protein in Schädel und Hirnhäuten stellt ein neues therapeutisches Ziel dar.
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Letzte Aktualisierung: Januar 2025.