Medizinische Bildgebung Das Licht, das Gesundheit und Krankheit hören kann
Prof. Dr. Vasilis Ntziachristos und sein Team entwickeln neuartige Technologien, die die medizinische Bildgebung revolutionieren. Ihre nicht-invasiven Instrumente enthüllen wichtige Details über Gesundheit und Krankheit. Sie ermöglichen es, Erkrankungen in ihren frühesten Stadien zu erkennen und so Menschen besser zu behandeln.
The research of Prof. Dr. Vasilis Ntziachristos and his team leads to novel, groundbreaking medical imaging tools. Their non-invasive technologies unveil crucial health and disease details that can empower doctors to identify and address diseases at their earliest stages for enhanced patient outcomes.
Bilder vermögen faszinierende Geschichten zu erzählen. Vasilis Ntziachristos hat es sich zum Ziel gesetzt, diese Faszination in Geräte zu übertragen, die die Vorteile von Licht für uns Menschen nutzen. Als Leiter des Bioengineering Centers und Direktor des Instituts für Biologische und Medizinische Bildgebung bei Helmholtz Munich sowie als Professor und Direktor des Lehrstuhls für Biologische Bildgebung an der Technischen Universität München ist er Pionier auf seinem Gebiet. Ntziachristos gründete zahlreiche Unternehmen, die sich unter anderem auf die Fluoreszenz- und optoakustische Bildgebung für medizinische Anwendungen spezialisieren. Zu seinen Erfolgen zählt die Entwicklung der Raster-Scan-Optoacoustic Mesoscopy (RSOM), einer wegweisenden Technologie, die eine besonders detaillierte Visualisierung biologischer Strukturen und Funktionen innerhalb und unterhalb der Haut ermöglicht. Diese Bilder besitzen neben ihrer Ästhetik eine hohe Relevanz für das Verständnis der komplexen Abläufe bei der Entstehung von Krankheiten.
„Der Blick unter die Haut ermöglicht es uns, frühzeitig krankheitsbedingte mikrovaskuläre Veränderungen in einer Tiefe und Detailgenauigkeit zu erkennen, die mit keiner anderen Methode heutzutage möglich ist.“
Prof. Vasilis Ntziachristos
Obwohl die RSOM-Technologie noch am Anfang steht, zeigt sie großes Potenzial, die Haut zur Überwachung von Krankheiten zu nutzen. Dies betrifft nicht nur Hauterkrankungen selbst, sondern auch Bereiche wie Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Traditionelle Mikroskopie-Techniken können nicht tief genug in die menschliche Haut eindringen, um vergleichbare Einblicke zu ermöglichen. Ebenso sind radiologische Ansätze wie Ultraschall, Röntgen oder MRT (Magnetresonanztomographie) nicht in der Lage, biologische Funktionen mit demselben Detailreichtum und Kontrast darzustellen, den RSOM bietet. Die Verwendung von Licht und Schall macht RSOM nicht nur kostengünstig, sondern liefert auch die Möglichkeit, die Technologie zu verkleinern. Dadurch kann sie nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in Privathaushalten eingesetzt werden. Diese Entwicklung soll dazu beitragen, dass die medizinische Versorgung für alle zugänglicher und erschwinglicher wird, indem sie von den Kliniken und Fachzentren direkt zu den Menschen nach Hause gelangt.
Dem Licht zuhören
„Das zugrunde liegende Konzept von RSOM ist recht einfach: Wenn die Haut Lichtimpulsen niedriger Energie ausgesetzt wird, erzeugt sie Ultraschall“, erklärt Ntziachristos. Dieses Phänomen ist der Ursprung des Begriffs „Optoakustik“, wobei „opto“ für Licht und „akustik“ für Schall steht. Wenn Lichtimpulse ein bestimmtes Körperteil erreichen, führen sie zu einer minimalen Erwärmung, normalerweise unter einem Grad Celsius. Dadurch kommt es zu einer vorübergehenden Ausdehnung und anschließenden Kontraktion, die Schallwellen im Ultraschallbereich erzeugen, für das menschliche Ohr jedoch nicht wahrnehmbar sind. Diese Schallwellen breiten sich von der Haut bis zur Oberfläche aus und werden dort von Ultraschallwandlern erfasst. Durch die Verarbeitung dieser Schallwellen können hochdetaillierte, dreidimensionale Darstellungen des untersuchten Bereichs erstellt werden. Diese wegweisende Technologie, unterstützt durch fortschrittliche Rechenmethoden wie Künstliche Intelligenz (KI), hat das Ziel, neue Möglichkeiten in der Präventions- und Präzisionsmedizin zu eröffnen.
Video-Interview: Prof. Vasilis Ntziachristos über optoakustische Bildgebung
„Mit Optoakustik ‚hören‘ wir auf das vom Gewebe absorbierte Licht und gewinnen präzise Einblicke in die Moleküle und Strukturen, die zur Schallerzeugung beitragen.“
Prof. Vasilis Ntziachristos
Die Haut als Fenster
Im Laufe der Geschichte hat sich die Medizin auf äußere Merkmale der Haut verlassen, um Erkenntnisse über verschiedene Krankheiten zu gewinnen. Veränderungen in Hautfarbe oder -erscheinung deuten oft auf Erkrankungen hin, sei es lokal auf der Haut oder als Anzeichen für systemische Probleme. Die Fähigkeiten des menschlichen Auges sind jedoch auf oberflächliche Beobachtungen beschränkt; es fehlt die Möglichkeit, unter die Haut zu sehen und genau zu beurteilen, was sich darunter verbirgt. Ebenso sind herkömmliche optische Werkzeuge wie Kameras und Mikroskope auf geringe Eindringtiefen beschränkt.
RSOM verändert dies grundlegend, indem es eine hochdetaillierte Darstellung tief innerhalb der Haut ermöglicht. Diese innovative Technologie liefert präzise Informationen über verschiedene Gesundheitsparameter, wie die Struktur und Funktion der kleinen Blutgefäße sowie Messungen von Sauerstoffversorgung und Lipidgehalt. Diese Erkenntnisse, die durch RSOM gewonnen werden, verbessern unser Verständnis für die Entwicklung und das Fortschreiten von Krankheiten, indem sie über die Grenzen des rein mit dem Auge Sichtbaren hinausgehen.
Molekulare Geheimnisse durch Farbe aufdecken
Ein großer Vorteil der optoakustischen Bildgebung im Vergleich zu herkömmlichen radiologischen Methoden ist ihre Fähigkeit, Messungen über verschiedene Farben durchzuführen. Farbwahrnehmung ist schon lange grundlegend für unser Verständnis der Welt und hilft uns dabei, natürliche Strukturen zu unterscheiden, wie zum Beispiel reife rote Früchte zwischen grünem Laub zu erkennen oder die Qualität von Nahrungsmitteln und Wasser basierend auf ihrem Aussehen zu beurteilen. Optoakustische Messungen decken ein breites Spektrum von Farben ab, das weit über den für das menschliche Auge sichtbaren Bereich hinausgeht. Da verschiedene Moleküle unterschiedliche Farben absorbieren, kann die Verwendung von Licht in verschiedenen Farben dazu beitragen, spezifische Informationen über diese Moleküle zu erhalten.
Den Stoffwechsel im Auge behalten
Während die Wahl der Farbe die erreichte Tiefe der Darstellung wesentlich beeinflusst, konzentriert sich die laufende Forschung des Teams von Ntziachristos auf die Visualisierung von Stoffwechselprozessen in Echtzeit. Dabei nutzen sie direkte Kontraste von essenziellen Molekülen wie Proteinen und Zuckern. Eine neuartige Mikroskopie-Methode, genannt MiROM (mid-infrarote optoakustische Mikroskopie), ist kürzlich entstanden und wird derzeit an Zellen und Geweben getestet, um die molekulare Präsenz ohne den Einsatz von Kontrastmitteln zu visualisieren, wenn auch auf geringere Eindringtiefen im Vergleich zu RSOM. Neben ihrer Anwendung in der biomedizinischen Forschung deuten erste Erkenntnisse darauf hin, dass diese Technik das Potenzial hat, die Früherkennung von Krankheiten zu verbessern.
In diesem Interview mit dem TV-Journalisten Karsten Schwanke spricht Prof. Vasilis Ntziachristos über seine Mission, das Unsichtbare sichtbar zu machen, und das Monitoring von Krankheiten zu verbessern.
Optoakustische Bildgebung in Hochgeschwindigkeit
Die klinische Anwendung der optoakustischen Bildgebung zu verbessern, hat höchste Priorität. Durch die Zusammenarbeit von Vasilis Ntziachristos und Dominik Jüstel vom Computational Health Center haben ihre Teams mit dem Deep-Learning-Framework „DeepMB“ einen großen Fortschritt erzielt. Sie entwickelten eine Methode, um mit multispektraler optoakustischer Tomographie (MSOT) hochwertige Bilder in außergewöhnlicher Geschwindigkeit zu erzeugen, die bisherige Algorithmen um das Tausendfache übertrifft. Dieser Erfolg beruht auf einem innovativen Schulungsansatz, der optoakustische Signale aus realen Bildern synthetisiert. Dadurch kann DeepMB Scans unabhängig vom Körperteil oder der Erkrankung jedes Patienten präzise rekonstruieren. Dieser Durchbruch könnte die MSOT-Bildgebung revolutionieren und die klinische Forschung und Patientenversorgung deutlich verbessern.
Video-Interview: Prof. Vasilis Ntziachristos über die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz
Neueste Bildgebungsverfahren für Diabetes
Auch im Diabetes-Bereich haben Vasilis Ntziachristos und sein Team bedeutende Fortschritte erzielt, wie ihre Arbeit zur nicht-invasiven Glukoseüberwachung mit optoakustischer Technologie zeigt. Indem sie spezifische Lichtimpulse nutzen, um Glukose anzuregen und die resultierenden Ultraschallsignale innerhalb der Haut zu erfassen, haben sie eine nadelfreie Methode zur Messung des Blutzuckerspiegels entwickelt. Dieser Durchbruch könnte die Art und Weise, wie wir Diabetes kontrollieren, maßgeblich verändern und bietet eine komfortablere und praktischere Alternative zu herkömmlichen Methoden. Nach erfolgreichen Labortests steht nun die nächste entscheidende Phase bevor: die Durchführung klinischer Studien zur Validierung ihrer Wirksamkeit.
Zusätzlich nutzt das Team von Ntziachristos RSOM in Verbindung mit künstlicher Intelligenz (KI), um diabetesbedingte Veränderungen der Haut zu untersuchen. Dazu haben sie hochauflösende Bilder von Mikrostrukturen der Haut bei Personen mit und ohne Diabetes aufgenommen und diese dann mithilfe von KI-Algorithmen analysiert. Dabei konnten sie kleinste Veränderungen feststellen, die auf Diabetes hinweisen, wie beispielsweise eine veränderte Blutgefäßdichte und Hautdicke. Durch die schnelle und nicht-invasive Überwachung von Hautbildern können so das Stadium und der Verlauf von Diabetes beobachtet werden. Diese Verbindung aus modernster Bildgebungstechnologie und maschinellem Lernen hat großes Potenzial, die Diagnose und Überwachung von Diabetes zu verändern. Dadurch könnten frühere Interventionen und bessere Patientenergebnisse erzielt werden, was wiederum der steigenden globalen Belastung durch Diabetes entgegenwirkt.
Latest update: June 2024.