Gewichtsverlust durch Glucagon-like Peptide-1 Rezeptor-Agonisten: Auswirkungen auf die Muskelgesundheit
Durch die Behandlung mit Glucagon-like Peptide-1 Rezeptor-Agonisten (GLP-1 RAs) und Kombinationstherapien können Menschen mit Typ-2-Diabetes bzw. Adipositas ihr Gewicht deutlich reduzieren. Doch wirkt sich der starke Gewichtsverlust negativ auf die Muskelmasse aus?
Diese Frage versucht DZD-Vorstand Andreas Birkenfeld gemeinsam mit Jennifer Linge und Ian J. Neeland in einem Review-Artikel in der Fachzeitschrift 'Circulation' zu klären. Aktuelle Erkenntnisse und Studien mittels Magnetresonanztomographie deuten darauf hin, dass Therapien mit GLP-1 RAs im Wesentlichen adaptative, also physiologisch normale Anpassungsvorgänge der Muskulatur bewirken. Auch weisen die Autor:innen darauf hin, dass die Muskelqualität das entscheidende Kriterium bei dieser Betrachtungsweise ist, und nicht die reine Muskelmasse.
Neue Studien zeigen, dass die pharmakologische Behandlung mit GLP-1-RA und dualen GLP-1/glucoseabhängigen insulinotropen Polypeptid-Rezeptor-Agonisten (GIP-RA) fast genauso viel Gewichtsverlust bewirken, wie eine Magenoperation. Es gibt jedoch Bedenken, dass größere Gewichtsabnahmen negative Auswirkungen auf die Muskelmasse haben könnten, insbesondere bei anfälligeren Patient:innen. Daher ist es wichtig zu verstehen, ob Veränderungen der Muskeln durch Gewichtsverlustbehandlungen wie GLP-1 RAs negativ für die Muskeln sind (maladaptiv), eine normale Reaktion auf den Gewichtsverlust darstellen (adaptiv) oder die Muskelgesundheit oder -funktion sogar verbessern.
Andreas Birkenfeld, DZD Sprecher und Direktor des Helmholtz Instituts für Diabetesforschung und Metabolischer Erkrankungen (IDM) der Helmholtz Zentrums München an der Universität Tübingen beschreibt dies so: „Das Konzept der adaptiven Muskelanpassung ist vom Herz her bekannt. So muss bei Bluthochdruck der Herzmuskel stärker pumpen und der Herzmuskel verdickt sich, die Herzmasse nimmt also zu. Senkt man den Blutdruck, z.B. mit Medikamenten, so wird der Herzmuskel wieder dünner, die Masse nimmt ab, weil er nicht mehr so viel Kraft aufwenden muss. Dieser Vorgang ist positiv für den Herzmuskel und wird als adaptiv bezeichnet. Ebenso ist es bekannt, dass die Muskelmasse, die ein schwerer Mensch benötigt, um sich selbst zu tragen, abnimmt, wenn der Mensch Gewicht verliert und der Muskel nicht mehr das gleiche Gewicht tragen muss. Auch dieser Prozess wird generell als adaptiv bewertet.“ Wie dies im Rahmen der Behandlung mit GLP-1 RA, wie Semaglutid oder Tirzepatid einzuordnen ist, wird in dem neuen Artikel in Circulation diskutiert.
Gewichtsverlust durch GLP-1 RAs wirkt sich adaptiv auf die Muskeln aus
Um diese Frage zu beantworten, werden aktuelle Erkenntnisse und zusätzliche Studien mittels Magnetresonanztomographie eingeordnet, die genauere Erkenntnisse liefern als frühere Methoden die Muskelmenge zu messen. Diese deuten darauf hin, dass die Veränderungen der Skelettmuskulatur bei GLP-1 RA-Behandlungen ein normaler, adaptiver Vorgang sind. Die Veränderungen im Muskelvolumen entsprechen den Erwartungen basierend auf Alter, Gesundheitszustand und Gewichtsverlust. Darüber hinaus führt der Gewichtsverlust bei Menschen mit Adipositas zu verbesserter Insulinsensitivität und weniger Fett in den Muskeln, was die Muskelqualität verbessert. Die Qualitätsverbesserung der Muskeln ist das wichtige Kriterium, um zu beurteilen, ob ein Vorgang positiv oder negativ für den Muskel ist. Eine bessere Muskelqualität geht mit einem geringeren Risiko von Kraft- und Funktionsverlust einher oder steigert Kraft und Funktion sogar.
Allerdings können Faktoren wie höheres Alter und Vorstufen von Gebrechlichkeit (Pre-Frailty) die Auswahl der richtigen Patientinnen und Patienten für diese Therapien beeinflussen. Für diese Patientinnen und Patienten befinden sich mehrere pharmakologische Behandlungen zur Erhaltung oder Verbesserung der Muskelmasse in Kombination mit GLP-1-basierten Therapien in der Entwicklung.
Objektivere Methoden zur Bewertung der Muskelgesundheit notwendig
Die Autor:innen betonen, dass die Einführung objektiverer und umfassenderer Methoden zur Bewertung der Muskelgesundheit für die zukünftige Entwicklung von GLP-1-basierten und anderen Gewichtsverlusttherapien sowie für die patientenzentrierte Behandlungsoptimierung entscheidend ist. Dies umfasst genaue und aussagekräftige Bewertungen der Muskelmenge, -zusammensetzung, -funktion, -mobilität und -stärke.
Es ist wichtig, dass Patientinnen und Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte verstehen, wie sich die eingesetzten Medikamente auf die Muskelmasse auswirken. Daher wollen die drei Autor:innen mit ihrem Artikel Klarheit in die aktuelle Diskussion bringen. Dies sei wichtig, weil abzusehen ist, dass künftig bei vielen Patient:innen diese Medikamente eingesetzt werden.
Original-Publikation:
Jennifer Linge, Andreas L. Birkenfeld, Ian J. Neeland: Muscle Mass and Glucagon-Like Peptide-1Receptor Agonists: Adaptive or Maladaptive Response to Weight Loss? Circulation. 2024;150:00–00. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.124.067676
Mehr Informationen finden Sie auf der DZD Seite.