Interview "Die Grenzen unserer Neugierde mit Hilfe technologischer Werkzeuge erweitern."
Interview mit Prof. Zeynep Akata, Direktorin des Institute for Explainable Machine Learning, Helmholtz Munich.
Interview mit Prof. Zeynep Akata, Direktorin des Institute for Explainable Machine Learning, Helmholtz Munich.
Prof. Zeynep Akata's Forschung richtet sich auf die Entwicklung erklärbarer maschineller Lernmodelle für Bild- und Sprachaufgaben. Im Interview spricht sie über den Aufbau eines Instituts, über die Förderung von Kreativität und die Bewältigung von Herausforderungen in der schnelllebigen Welt des maschinellen Lernens.
Seit wann sind Sie Direktorin bei Helmholtz Munich?
ZA: Ich habe die Position als Direktorin des Instituts "Explainable Machine Learning" am 1. Januar 2024 übernommen. Mein Institut ist sowohl Teil des Computational Health Centers als auch von Helmholtz AI. Zusätzlich zu meiner Rolle bei Helmholtz Munich bin ich Liesel Beckmann Distinguished Professorin für Informatik an der TUM, wo ich den Lehrstuhl für „Interpretable and Reliable Machine Learning“ leite.
Was inspiriert Sie an dieser Position?
ZA: Am spannendsten ist es, Teil von zwei erstklassigen Institutionen, wie es Helmholtz Munich und die TUM sind, zu sein. Das eröffnet viele Kooperationsmöglichkeiten aus verschiedenen Perspektiven, zum Beispiel über Anwendungsbereiche in meiner Rolle bei Helmholtz Munich oder die Möglichkeit, ein breiteres Publikum durch Lehre und Betreuung an der TUM zu erreichen. Es fühlt sich an, als gäbe es keine wesentlichen Grenzen mehr für mein persönliches und berufliches Wachstum. Dieser Prozess war bisher nicht einfach, aber ich freue mich darauf, diese Herausforderung anzugehen und zu beobachten, wie die Samen, die ich im Laufe der Jahre pflanzen werde, wachsen.
“Ich freue mich darauf, diese Herausforderung anzugehen und zu beobachten, wie die Samen, die ich im Laufe der Jahre pflanzen werde, wachsen.“
Prof. Zeynep Akata
Was bedeutet es für Sie, vom Magazin 'Capital' als einer der 'Top 40 unter 40' ausgewählt worden zu sein?
ZA: Diese Auszeichnung ist für mich einzigartig, da sie nicht nur an Forschende oder Wissenschaftler und Wissenschaflerinnen vergeben wird, sondern auch an Menschen in anderen Bereichen, die die Gesellschaft gestalten. Als Wissenschaftlerin wünsche ich mir, der Gesellschaft als Ganzes nützlich zu sein – also nicht nur meine wissenschaftliche Community. In diesem Sinne ist es mir eine große Ehre, vom Magazin 'Capital' als eine der Top 40 unter 40 anerkannt zu werden.
Was möchten Sie mit Ihrer Forschung erreichen?
ZA: Mein gesamtes Forschungsprogramm konzentriert sich auf Grundmodelle, zum Beispiel Modelle, die generalisierbar und an neue Aufgaben anpassbar sind. Bei Helmholtz Munich leite ich eines der wenigen Institute, die sich auf das fundamentale maschinelle Lernen konzentrieren, ohne sich auf eine bestimmte Anwendung festzulegen. Das steht ein wenig im Gegensatz zu den üblichen Praktiken bei Helmholtz, wo der Fokus meist auf einem spezifischen Anwendungsbereich wie Medizin oder Materialwissenschaften liegt. Seitdem die Physik- und Chemie-Nobelpreise kürzlich an die KI vergeben wurden, glaube ich, dass sich die Wahrnehmung der Gesellschaft gegenüber KI verändert hat und die Menschen nicht mehr hinterfragen, warum KI-Grundlagenforschung faszinierend und notwendig ist. Sie ist heutzutage grundlegend für jeden Fortschritt im wissenschaftlichen Bereich. In diesem Sinne bin ich stolz darauf, eine der Vorreiterinnen dieser Bewegung in Europa zu sein und freue mich darauf, zusammen mit meinen Studierenden und Kolleg:innen an Grundmodellen zu arbeiten, die generalisierbar und personalisierbar sind.
Was fasziniert Sie an KI und Grundmodellen?
ZA: KI-Programm werden immer allgegenwärtiger und von Tag zu Tag leistungsfähiger. Man kann sie als Mitarbeiter betrachten, die mit uns zusammenarbeiten und uns helfen können. Jeder, der schon einmal mit einem KI-Programm, wie ChatGPT, interagiert hat, muss erfahren haben, wie leistungsfähig diese Technologien heutzutage sind. Ich bin dankbar, dass ich in der heutigen Zeit lebe und diesen Prozess während des Booms miterleben kann. Jetzt können wir uns endlich auf den Weg machen, um die Grenzen unserer Neugierde mit Hilfe technologischer Werkzeuge zu erweitern, neue Wirkungshorizonte zu suchen und mit den Entdeckungen unsere Gesellschaft zu beeinflussen. Das ist wirklich faszinierend, finden Sie nicht auch?
Was ist das Besondere an Helmholtz Munich?
ZA: Das Fachwissen im Bereich Medizin bei Helmholtz Munich fasziniert mich. Wer zu Themen wie Krebs, Diabetes oder Umweltgesundheit forschen möchte, ist bei Helmholtz Munich am richtigen Ort, da hier sowohl der Zugang zu Daten als auch zu Talenten gegeben ist. Je mehr ich Helmholtz Munich und die dort untersuchten Bereiche entdecke, desto faszinierter bin ich. Ich lerne die hier erforschten Themen kennen und knüpfe Kooperationen mit Kolleg:en und Kollegen, die sicherlich neue Perspektiven für meine kreative Arbeit eröffnen werden.
„Je mehr ich von Helmholtz Munich und all den Bereichen, die hier erforscht werden, erfahre, desto mehr fasziniert es mich.“
Prof. Zeynep Akata
Welche Ziele haben Sie als Direktorin des Instituts?
ZA: Eines meiner Ziele ist es, einen sicheren Raum zu schaffen, ein geeignetes Umfeld, in dem Ideen gedeihen können, in dem junge Forscher:innen zu uns kommen, sich uns anschließen und uns mit ihrer Kreativität faszinieren wollen. Ich möchte mich an der Schaffung eines Zentrums für Forschende im Bereich des maschinellen Lernens beteiligen, die daran interessiert sind, ihre Forschungsergebnisse auf verschiedene Anwendungsbereiche im Zusammenhang mit Gesundheit und Umwelt anzuwenden und diese Technologien so zu erklären, dass sie für den Benutzer leichter zugänglich sind. Mein persönliches Ziel ist es, die verschiedenen Möglichkeiten zu entdecken, wie unsere Forschung für das Gemeinwohl nützlich sein kann.
„Eines meiner Ziele ist es, einen sicheren Raum zu schaffen, ein geeignetes Umfeld, in dem sich Ideen entfalten können, in dem junge Forschende zu uns kommen, sich uns anschließen und uns mit ihrer Kreativität faszinieren“
Prof. Zeynep Akata
Was sind die größten Herausforderungen und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?
ZA: Eine der größten Herausforderungen ist auch einer der größten Vorteile der Arbeit in meinem Bereich des maschinellen Lernens (ML). ML-Modelle werden in extrem schnellem Tempo immer leistungsfähiger und allgemeiner. Dies eröffnet enorme Möglichkeiten, in der realen Welt etwas zu bewirken, indem man einfach bestehende Methoden an verschiedene Datenbereiche anpasst. Diese Bereiche könnten Medizin, Umwelt, Erdbeobachtung usw. sein. Es ist sehr aufregend und lohnend, in so kurzer Zeit so viele neue Forschungsgebiete zu entdecken. Dies ist einer der Aspekte von ML, der mich antreibt. Allerdings kann dieser rasante technologische Fortschritt auch zu ständigem Stress am Arbeitsplatz führen, da immer die Gefahr besteht, etwas zu verpassen - es ist keine Zeit zu verlieren. Das betrifft nicht nur mich als Forscherin, sondern auch meine Mitarbeitende, so dass wir ständig darum kämpfen müssen, dass unsere Forschung produktiv, unser Arbeitsplatz psychologisch sicher und jeder psychisch gesund und motiviert bleibt.
Gab es ein prägendes Erlebnis in Ihrer Laufbahn, das Sie besonders geprägt hat?
ZA: Ich habe in meiner Laufbahn viele prägende Erfahrungen gemacht. Ich habe in Istanbul, Bonn, Grenoble, Saarbrücken, Berkeley, Amsterdam, Tübingen gelebt – und jetzt in München. Das heißt, ich bin viel umgezogen und habe viele Menschen getroffen, Kolleg:innen, Betreuer:innen, Student:innen, die mich alle auf ihre Weise beeinflusst haben. Ich habe in meiner Laufbahn viele Erfahrungen mit Rassismus und Sexismus gemacht, aber ich habe auch viele Erfahrungen gemacht, die mir Spaß und Freude an meiner Arbeit gemacht haben. Ich war nervös, wütend, fühlte mich oft hilflos, aber ich fühlte mich auch befreit und gestärkt. Ich schätze mich glücklich, dass ich die Chancen bekommen habe, die mir gegeben wurden, um erfolgreich zu sein. Während ich lernte, zu überleben und erfolgreich zu sein, hatte ich auch Einfluss auf jüngere Menschen, sowohl positiv als auch negativ, da bin ich mir sicher. Mein Weg bis nach München war nicht einfach, aber wenn ich jetzt auf meine bisherige Reise zurückblicke, bin ich dankbar, dass es insgesamt eine sehr interessante Reise war.
„Mein Weg bis nach München war nicht einfach, aber wenn ich jetzt auf meinen bisherigen Weg zurückblicke, bin ich dankbar, dass es insgesamt ein sehr interessanter Weg war."
Prof. Zeynep Akata
Woraus schöpfen Sie neben Ihrer Arbeit Kraft?
ZA: Meine Familie, insbesondere mein 2-jähriger Sohn, ist eine wichtige Quelle des Glücks in meinem Leben. Ich glaube, dass es für ihn ein gutes Vorbild ist, wenn ich berufstätig bleibe und meine Forschung so gut wie möglich betreibe. Dieser Gedanke gibt mir Kraft und motiviert mich, nicht nur zu Hause, sondern auch bei der Arbeit meine Aufgaben zu erfüllen. Eine Umarmung von ihm bedeutet mir alles, sie nimmt mir den ganzen Stress und lässt mich meine Anstrengungen vergessen.
Leider habe ich nicht viel Zeit für Hobbys, aber ich gehe gerne mit meiner Familie oder Freunden spazieren. Ich mag das Gefühl, den Wind oder den Regen auf meinem Gesicht zu spüren und generell in der Natur zu sein. Es spielt keine Rolle, welcher Tätigkeit ich nachgehe, solange ich draußen bin. Wir arbeiten drinnen und sitzen die ganze Zeit, also versuche ich, wann immer ich die Gelegenheit dazu habe, draußen zu sein. München und seine Umgebung haben dafür wunderbare Möglichkeiten , ich bin froh, in dieser schönen Stadt zu leben.
Erzählen Sie ein Geheimnis über sich!
ZA: Als ich drei Jahre alt war, schickte meine Großmutter eine meiner Zeichnungen zu einem nationalen Wettbewerb für Kinderkunst in der Türkei und ich wurde Erste. Daraufhin erschien ein Bild von mir bei der Preisverleihung mit den anderen Preisträgern in einer nationalen Zeitung. Meine Mutter hat eine Kopie der Zeitung aufbewahrt, und ich kann sagen, dass das Bild ziemlich lustig aussieht und ich wesentlich verwirrter aussehe als die anderen beiden Kinder.
Letzte Aktualisierung: November 2024
Mehr zu Prof. Zeynep Akata & ihrer Forschung
Prof. Zeynep Akata ist Direktorin des Institute for Explainable Machine Learning, Helmholtz Munich. Sie ist außerdem Liesel Beckmann Distinguished Professor an der Technischen Universität München (TUM). Im November 2024 wurde sie vom „Capital" Magazin als eine der "Top 40 unter 40" ausgezeichnet.
Kontakt: zeynep.akata@helmholtz-munich.de Profil: Prof. Zeynep Akata