Paul-Martini-Preis für Marcus Conrad
Für seine Erkenntnisse zur Ferroptose – einer speziellen Form des programmierten Zelltods, die neue Perspektiven für die Entwicklung von Medikamenten in der Krebstherapie und bei Organtransplantationen eröffnet - erhält Prof. Marcus Conrad den Paul-Martini-Preis. Der renommierte Preis der Paul-Martini-Stiftung in Berlin wird jährlich für herausragende Leistungen in der klinisch-therapeutischen Arzneimittelforschung vergeben und ist mit 50.000 Euro dotiert.
Prof. Stefan Endres, Ludwig-Maximilians-Universität München, erläuterte die Zuerkennung des Preises im Namen des sechsköpfigen wissenschaftlichen Beirats: „Die Arbeiten zeichnen sich durch ihre hohe wissenschaftliche Qualität, ihre Originalität und ihr translatorisches Potenzial aus. Die Forschungsergebnisse werden neue Möglichkeiten der Pharmakotherapie eröffnen.“
Ferroptose
Vielzelligkeit bringt es mit sich, dass sich in bestimmten Situationen einzelne Zellen zugunsten der Lebensmöglichkeiten des Gesamtorganismus „opfern“ müssen. Beim Menschen sind mittlerweile eine ganze Reihe verschiedener Arten zellulärer Selbstzerstörung bekannt, darunter insbesondere die Ferroptose. Ihr Name leitet sich von den Eisenionen ab, die in dem Prozess eine wichtige Rolle spielen. Schon an der Entdeckung der Ferroptose war Conrad entscheidend beteiligt; und seither hat er sich der immer detaillierteren Aufklärung ihres Ablaufs und von Verbindungen zu anderen Prozessen im Körper verschrieben.
Wie Conrad feststellte, sind Zellen ständig grundsätzlich zur Ferroptose bereit, werden daran aber zumeist durch ein oder mehrere Inhibitoren gehindert: Zu diesen zählen das Enzym Glutathionperoxidase 4 (GPX4) und das „Ferroptosis Suppressor Protein 1“, kurz FSP1.
Medizinische Relevanz
In mehreren medizinischen Feldern spielt Ferroptose eine negative Rolle: So führt sie unter anderem zu Gewebeschäden bei zeitweiliger Unterbrechung der Sauerstoffversorgung, etwa im Rahmen einer Organtransplantation, eines Schlaganfalls oder eines Herzinfarkts. Weiter ist sie an der Entstehung neurodegenerativer Krankheiten, wie Morbus Alzheimer, Chorea Huntington oder Amyotropher Lateralsklerose beteiligt. Conrad entwickelte deshalb schon in den 2010er-Jahren den ersten in vivo wirksamen Ferroptose-Inhibitor.
Medizinisch erwünscht ist Ferroptose hingegen, wenn sich durch sie Krebszellen eliminieren lassen. Conrad und sein Team entwickelten daher eine Reihe von FSP1-Inhibitoren, die Zellen anfällig für Ferroptose machen und hierdurch tatsächlich das Tumorwachstum in in-vivo-Modellen reduzieren können. Von diesen Ergebnissen berichten sie in zwei der prämierten Publikationen. In einer dritten zeigen sie, dass auch der andernorts entwickelte experimentelle antitumorale Wirkstoff Brequinar in höheren Konzentrationen als FSP1-Inhibitor wirksam ist.
In einer vierten Publikation decken Conrad und Team noch einen weiteren Zusammenhang auf: Sie zeigen, dass FSP1 indirekt zur Bildung von Gerinnungsfaktoren beiträgt, und dies auch dann, wenn deren Produktion durch überdosierte Antikoagulantien vom Typ Vitamin-K-Antagonisten stark beeinträchtigt ist. Dies deutet auf neue Möglichkeiten hin, in solchen Therapiesituationen die Gefahr von Blutungen zu reduzieren. Conrads Forschung ist damit ein herausragendes Beispiel dafür, wie biomedizinische Grundlagenforschung den Boden für eine am ungedeckten therapeutischen Bedarf ausgerichtete Translation bereitet.
Der Preisträger
Prof. Dr. Marcus Conrad ist Direktor des Institute of Metabolism and Cell Death bei Helmholtz Munich und seit Oktober 2024 auch Professor an der Technischen Universität München (TUM). Bei Helmholtz Munich ist er schon seit Beginn seines Promotionsprojektes im Jahr 1998 tätig – in wechselnden Positionen und zwischen 2009 und 2012 unterbrochen unter anderem durch eine Anstellung in der Pharmaforschung des Unternehmens Bayer in Berlin und am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Marcus Conrad ist Autor oder Co-Autor von mehr als 170 Fachpublikationen. Zu den zahlreichen Ehrungen, die er für seine Arbeit erhielt, gehört unter anderem der Galenus-von-Pergamon-Preis 2024 im Bereich Grundlagenforschung.
Die Paul-Martini-Stiftung
Die gemeinnützige Paul-Martini-Stiftung mit Sitz in Berlin fördert die Arzneimittelforschung sowie die Forschung über Arzneimitteltherapie und intensiviert den wissenschaftlichen Dialog zwischen medizinischen Wissenschaftlern in Universitäten, Krankenhäusern, der forschenden Pharmaindustrie, anderen Forschungseinrichtungen und Vertretern der Gesundheitspolitik und der Behörden. Träger der Stiftung ist der vfa, Berlin, mit seinen derzeit 46 Mitgliedsunternehmen.
Die Stiftung ist benannt nach dem Bonner Wissenschaftler und Arzt Professor Paul Martini (1889-1964) in Würdigung seiner besonderen Verdienste um die Förderung und Weiterentwicklung der klinisch-therapeutischen Forschung, die er mit seiner 1932 veröffentlichten „Methodenlehre der therapeutischen Untersuchung“ über Jahrzehnte wesentlich geprägt hat.