Selen-Trägerprotein reguliert Ferroptose bei Krebs und im Gehirn
Forschende bei Helmholtz Munich haben ein spezifisches Redox-Protein als wichtigen Regulator der Ferroptose – einer Form des regulierten, oxidativen Zelltods – identifiziert. Die Erforschung der Mechanismen der Ferroptose stößt auf großes Interesse, da sie neue Behandlungsmöglichkeiten für therapieresistente Krebsarten und neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer eröffnen könnten. Die pharmakologische Beeinflussung zellulärer Abwehrsysteme, die die Ferroptose regulieren, wird zunehmend als vielversprechende Strategie in der Krebstherapie angesehen, die zudem tieferes Verständnis der Krankheitsmechanismen bietet. Das Forschungsteam fand heraus, dass Peroxiredoxin 6 (PRDX6) eine Schlüsselrolle als Regulator der Ferroptose spielt und als Selen-Trägerprotein entscheidend zur Abwehr von oxidativem Stress in indirekt Zellen beiträgt. Diese Ergebnisse legen nahe, dass PRDX6 ein potenzielles Ziel für die Behandlung von Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen werden könnte. Die Ergebnisse wurden in Molecular Cell veröffentlicht.
Die Ferroptose weckt aufgrund ihres therapeutischen Potenzials für die Behandlung von therapieresistenten und metastasierenden Krebsarten und ihrer Beteiligung an neurodegenerativen Erkrankungen großes Interesse. Während die gezielte Auslösung der Ferroptose in Krebszellen einen vielversprechenden Ansatz zur Krebsbekämpfung darstellt, könnte die Hemmung der Ferroptose in Nervenzellen helfen, das Fortschreiten neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer und Multiple Sklerose (MS) zu verlangsamen. Daher konzentriert sich die Forschung zunehmend auf neue zelluläre Mechanismen, die die Empfindlichkeit gegenüber Ferroptose bestimmen. Ein Team um Dr. Eikan Mishima und Prof. Marcus Conrad vom Institut für Stoffwechsel und Zelltod bei Helmholtz Munich hat nun in Zusammenarbeit mit Kollegen von der Tohoku-Universität in Japan herausgefunden, dass PRDX6 die Empfindlichkeit von Zellen gegenüber Ferroptose reguliert, indem es die Selen-Verfügbarkeit in Zellen mitbestimmt. Ein ausgeglichener Selenspiegel in der Zelle ist entscheidend für die Expression einer kleinen Gruppe selenhaltiger Enzyme, der sogenannten Selenproteine, die Zellen effizient vor oxidativem Stress schützen.
PRDX6: Ein Selen-Trägerprotein und Ferroptose-Regulator
Selen, benannt nach der griechischen Mondgöttin Selene, ist ein essenzieller Mikronährstoff, der für die menschliche Gesundheit unerlässlich ist und in verschiedenen Selenoproteinen vorkommt. Besonders das Selenoenzym Glutathionperoxidase 4 (GPX4) spielt eine Schlüsselrolle, indem es die Zellen vor schädlicher (Phospho)lipidperoxidation schützt und damit die Ferroptose verhindert. Das Forschungsteam konzentrierte sich auf PRDX6, welches ebenfalls eine Peroxidase-Aktivität aufweist, die mit der von GPX4 vergleichbar ist. Obwohl die Peroxidase-Aktivität von PRDX6 schwächer aber das Enzym wesentlich stärker exprimiert ist als GPX4, zeigten Zellen ohne PRDX6 eine deutlich erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Ferroptose, insbesondere bei Krebszellen.
Angeregt durch diesen überraschenden Befund entdeckten die Forschenden die wichtige Funktion von PRDX6 im zellulären Selenstoffwechsel. PRDX6 fungiert nicht nur als Peroxidase, sondern auch als Selentransportprotein, das für den effizienten intrazellulären Transport von Selen notwendig ist. Diese Transportfunktion erleichtert den Einbau von Selen in Selenproteine, wodurch der GPX4-Menge und die Empfindlichkeit der Zellen gegenüber Ferroptose beeinflusst wird. Eikan Mishima erklärt: „PRDX6 ist ein Selentransportprotein, dessen molekulare Funktion lange Zeit vermutet, aber bisher nicht genau identifiziert wurde.“
PRDX6-Mangel hemmt Tumorwachstum und reduziert die Selenoproteinexpression im Gehirn
In weiteren Untersuchungen an Mäusen stellten die Forschenden fest, dass ein PRDX6-Mangel das Tumorwachstum unterdrückte. Außerdem wiesen Mäuse ohne PRDX6 eine geringere Selenoproteinexpression im Gehirn auf, was die Wichtigkeit von PRDX6 für den Selentransport und möglicherweise den Schutz der Nervenzellen unterstreicht. Diese Ergebnisse betonen die Relevanz von PRDX6 sowohl für die Krebsbiologie als auch für den Schutz des Gehirns vor oxidativen Stress und damit einhergehendem Zelltod.
Potenzial für neue Therapien gegen Krebs und neurodegenerative Erkrankungen
Diese Entdeckung der Funktion von PRDX6 eröffnet spannende Möglichkeiten für neue therapeutische Ansätze. Da therapieresistente und metastasierende Krebsarten besonders empfindlich auf Ferroptose reagieren, könnte die Hemmung von PRDX6 bei Krebs die Ferroptose-Empfindlichkeit erhöhen und so einen neuen Weg für die Krebsbehandlung eröffnen. „Die neu entdeckte Rolle von PRDX6 bei der Aufrechterhaltung des Selenoprotein-Spiegels im Gehirn ist zudem vielversprechend für die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen“, erklärt Marcus Conrad. Diese neuen Erkenntnisse werden zusammen mit einer ergänzenden Studie des Friedmann-Angeli-Labors der Universität Würzburg in derselben Ausgabe von Molecular Cell veröffentlicht. Dies zeigt das große wissenschaftliche Interesse und die potenziellen Auswirkungen dieser Ergebnisse für die zukünftige Forschung zu Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen.
Originalpublikation
Ito et al. (2024): PRDX6 dictates ferroptosis sensitivity by directing cellular selenium utilization. Molecular Cell. DOI: 10.1016/j.molcel.2024.10.028