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Develop a protocol for the generation of induced pluripotent stem cells (iPSCs) from somatic cells in the in vitro laboratory _AdobeStock_760802337
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Interview Stammzellen: Schlüssel zur Zukunft der regenerativen Medizin

Stammzellen verändern unser Verständnis davon, wie Krankheiten behandelt, geschädigtes Gewebe repariert und möglicherweise ganze Organe regeneriert werden können. Als Eckpfeiler der regenerativen Medizin bieten sie Hoffnung für bislang als unheilbar geltende Erkrankungen.

In ihrem aktuellen Übersichtsartikel, veröffentlicht in Science, zeigen die Professorinnen Maria-Elena Torres-Padilla und Magdalena Götz, wie jahrzehntelange Forschung nun in konkrete Therapien mündet – von der Wiederherstellung des Sehvermögens und der Reparatur von Speicheldrüsen bis hin zur Reprogrammierung von Krebszellen, die sich gegen die Krankheit selbst richten. Diese Fortschritte ermöglichen nicht nur funktionelle Heilung, sondern leisten auch einen Beitrag zu gesundem Altern und einer längeren Lebensspanne.

In diesem Interview berichten sie, was Stammzellen so besonders macht, welche Durchbrüche das Feld geprägt haben, und welche vielversprechenden Entwicklungen bevorstehen.

Stammzellen verändern unser Verständnis davon, wie Krankheiten behandelt, geschädigtes Gewebe repariert und möglicherweise ganze Organe regeneriert werden können. Als Eckpfeiler der regenerativen Medizin bieten sie Hoffnung für bislang als unheilbar geltende Erkrankungen.

In ihrem aktuellen Übersichtsartikel, veröffentlicht in Science, zeigen die Professorinnen Maria-Elena Torres-Padilla und Magdalena Götz, wie jahrzehntelange Forschung nun in konkrete Therapien mündet – von der Wiederherstellung des Sehvermögens und der Reparatur von Speicheldrüsen bis hin zur Reprogrammierung von Krebszellen, die sich gegen die Krankheit selbst richten. Diese Fortschritte ermöglichen nicht nur funktionelle Heilung, sondern leisten auch einen Beitrag zu gesundem Altern und einer längeren Lebensspanne.

In diesem Interview berichten sie, was Stammzellen so besonders macht, welche Durchbrüche das Feld geprägt haben, und welche vielversprechenden Entwicklungen bevorstehen.

Ihr neuer Übersichtsartikel bietet einen spannenden Einblick in die Entwicklung der Stammzellforschung. Was waren aus Ihrer Sicht die entscheidenden Durchbrüche?

Maria-Elena Torres-Padilla (METP): Die Fortschritte in der Stammzellforschung sind enorm. Einer der bedeutendsten Meilensteine war die Entdeckung, dass sich adulte Zellen – etwa aus Haut oder Blut – in einen stammzellähnlichen Zustand zurückversetzen lassen. Diese sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) können sich nahezu in jede Zellart des Körpers entwickeln. Das eröffnet neue Möglichkeiten, Krankheiten zu erforschen und Therapien zu entwickeln.

Magdalena Götz (MG): Ein weiterer großer Fortschritt war die direkte Reprogrammierung – dabei wird ein Zelltyp direkt in einen anderen umgewandelt, ohne den Umweg über eine Stammzelle. Zum Beispiel können wir heute Gliazellen, also Stützzellen des Gehirns, in funktionsfähige Neuronen verwandeln. Das ist vielversprechend für Erkrankungen wie Schlaganfälle, bei denen Nervenzellen verloren gehen. Es geht nicht nur um Reparatur, sondern um echte funktionelle Wiederherstellung.

 

„Einer der bedeutesten Meilensteine war die Entdeckung, dass sich adulte Zellen in einen stammzellähnlichen Zustand zurückversetzen lassen. Das eröffnete neue Möglichkeiten, Krankheiten zu erforschen und Therapien zu entwicklen.“
Maria-Elena Torres-Padilla

Wie funktioniert direkte Reprogrammierung – und warum ist sie so vielversprechend?

MG: Anstatt Stammzellen zu erzeugen, setzen wir gezielt Proteine ein, um eine Zellart direkt in eine andere zu überführen. So lassen sich beispielsweise Astrozyten – auch menschliche – in funktionierende Neuronen umwandeln. Diese Methode könnte helfen, neurologische Erkrankungen zu behandeln, ganz ohne Spenderzellen oder Immunsuppression.

METP: Besonders spannend ist, dass wir dafür körpereigene Zellen der Patient:innen nutzen können. Das verringert das Risiko von Abstoßungsreaktionen und ermöglicht individuell zugeschnittene Therapien. Dieser Ansatz lässt sich auch auf andere Organe übertragen – etwa, indem man Fibroblasten in gesundes Lungengewebe umwandelt, zum Beispiel bei chronischen Lungenerkrankungen.

Werden solche Therapien bereits klinisch angewendet?

MG: Es gibt bereits vielversprechende klinische Studien. Stammzellen werden genutzt, um insulinproduzierende Zellen für Diabetes-Patient:innen zu erzeugen, das Sehvermögen bei altersbedingten Augenerkrankungen zu verbessern oder Hornhautblindheit zu behandeln.

METP: Eine weitere spannende Entwicklung ist der Einsatz von Stammzellen bei Patient:innen, deren Speicheldrüsen durch eine Krebstherapie geschädigt wurden – ein häufiges Problem nach Strahlentherapie. Diese Menschen leiden oft unter starker Mundtrockenheit und Schluckbeschwerden. Forschende haben gezeigt, dass sich geschädigte Drüsen mithilfe von Stammzellen regenerieren lassen – das verbessert die Lebensqualität deutlich.

 

Was sehen Sie als nächsten großen Durchbruch?

METP: Besonders faszinierend ist das Potenzial totipotenter Zellen – sie sind sogar noch entwicklungsfähiger als pluripotente Zellen. Sie könnten dabei helfen, Gewebe oder sogar ganze Organe zu regenerieren, die wir bislang nicht künstlich herstellen können. Noch steht diese Forschung am Anfang, aber das Potenzial ist enorm.

MG: Große Hoffnung setzen wir auch auf Ansätze zur Umwandlung von Narbengewebe, wie es etwa bei Herzinsuffizienz oder Leberfibrose entsteht. Wenn es gelingt, die Zellen, die zur Narbenbildung beitragen, in funktionierendes Gewebe umzuprogrammieren, könnten wir die Organfunktion wiederherstellen. Im Gehirn verwandeln wir deshalb narbenbildende Gliazellen in Neuronen.

“Wenn es gelingt, die Zellen, die zur Narbenbildung beitragen, in funktionierendes Gewebe umzuprogrammieren, könnten wir die Organfunktion wiederherstellen.”
Magdalena Götz

Welche Herausforderungen gilt es noch zu meistern?

METP: Die Skalierung ist eine der größten Hürden. Wir müssen große Mengen qualitativ hochwertiger Zellen sicher und kostengünstig herstellen können. Der Produktionsprozess ist komplex und stark reguliert – zu Recht. Sicherheit und Skalierbarkeit müssen jeweils individuell geprüft und angepasst werden.

MG: Zudem braucht es noch deutlich mehr klinische Studien, insbesondere zur Reprogrammierung direkt im Körper (in vivo), und langfristige Untersuchungen zur Sicherheit und Wirksamkeit. Die Forschung entwickelt sich rasant – aber wir müssen mit Verantwortung und Sorgfalt vorgehen.

Was würden Sie jungen Menschen raten, die eine Karriere in der Stammzellforschung in Betracht ziehen?

METP: Bleibt neugierig, lasst euch von eurem Entdeckergeist leiten, seid offen für unerwartete Erkenntnisse – und hört nie auf zu lernen. Die besten Ideen entstehen oft durch Zusammenarbeit und durch den Blick über den Tellerrand.

MG: Habt den Mut, groß zu denken! Dieses Feld verbindet Biologie, Medizin, Technik und Ethik. Wenn ihr Menschen helfen wollt, habt ihr hier die Chance, wirklich etwas zu bewirken.

„Seid offen für unerwartete Erkenntnisse und hört nie auf zu lernen."
Maria-Elena Torres-Padilla

Über die Expertinnen

Prof. Maria-Elena Torres-Padilla

ist (rotierende) Leiterin des Stem Cell Centers, Direktorin des Instituts für Epigenetik und Stammzellen bei Helmholtz Munich, Direktorin für Biomedizin am Helmholtz Pioneer Campus sowie Professorin an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Prof. Magdalena Götz

ist Direktorin des Stem Cell Centers und des Instituts für Stammzellforschung bei Helmholtz Munich, Inhaberin des Lehrstuhls für Physiologische Genomik am Biomedizinischen Zentrum der LMU und externes Mitglied des Max-Planck-Instituts für Biochemie.

Original-Publikation

Götz & Torres-Padilla, 2025: Stem cells as role models for reprogramming and repair. Science. DOI: 10.1126/science.adp2959

 

Letzte Aktualisierung: Mai 2025