Interview Ist Intervallfasten immer gesund?
Prof. Stephan Herzig und Prof. Alexander Bartelt nehmen chronisches Intervallfasten unter die Lupe: Welche Rolle spielt das Alter und wie wirken sich gezielte Essenspausen dauerhaft auf die Reifung und Funktion von β-Zellen aus?
Prof. Stephan Herzig und Prof. Alexander Bartelt nehmen chronisches Intervallfasten unter die Lupe: Welche Rolle spielt das Alter und wie wirken sich gezielte Essenspausen dauerhaft auf die Reifung und Funktion von β-Zellen aus? .
Prof. Stephan Herzig, Prof. Alexander Bartelt und ihr Team erforschen die molekularen Grundlagen schwerer Stoffwechselstörungen, darunter das metabolische Syndrom und Typ-2-Diabetes, sowie deren Rolle bei der Entstehung und dem Fortschreiten von Krebs. Eines ihrer Schwerpunktthemen ist das Intervallfasten.
In diesem Interview gibt Prof. Alexander Bartelt neueste Einblicke zum Thema Intervallfasten.
Sie haben dauerhaftes Intervallfasten genauer unter die Lupe genommen, was haben Sie festgestellt?
AB: Intermittierendes Fasten ist ein beliebter Ernährungsstil mit vielen möglichen metabolischen Vorteilen. Die bisherigen Erkenntnisse basieren jedoch größtenteils auf Studien mit Risikopersonen, und niemand hat wirklich in Betracht gezogen, dass die Auswirkungen vom Intervallfasten je nach Alter unterschiedlich sein könnten. In einer vorklinischen Mausstudie zeigen wir nun, dass ältere Mäuse nach chronischem intermittierendem Fasten die erwarteten metabolischen Verbesserungen aufweisen, während diese bei jugendlichen Mäusen ausbleiben.
“Frühere Studien an erwachsenen Mäusen haben gezeigt, dass zeitlich begrenzte Nahrungsaufnahme, wie sie beim intermittierenden Fasten angewendet wird, den Stoffwechsel an unsere innere Uhr anpasst und dadurch die Stoffwechselgesundheit verbessert. Die neuen Erkenntnisse verdeutlichen, wie wichtig es ist, verschiedene Gruppen, wie etwa unterschiedliche Altersklassen, genauer zu betrachten, um personalisierte Empfehlungen für Prävention und Therapie zu entwickeln.“
Prof. Stephan Herzig
Prof. Stephan Herzig ist wissenschaftlicher Direktor bei Helmholtz Munich, Direktor und Department Head des Helmholtz Diabetes Center und Direktor des Institutes für Diabetes und Krebs.
Seit 2015 ist er bei Helmholtz München, zunächst als Direktor des Instituts für Diabetes und Krebs. Er ist außerdem wissenschaftlicher Leiter des Helmholtz Diabetes Center und Forschungsdirektor. Stephan gibt seine Begeisterung und Erfahrung gerne weiter und engagiert sich in einem breiten wissenschaftlichen Austausch:
Chefredakteur der Fachzeitschrift 'Molecular Metabolism'
Sprecher der Helmholtz Helmholtz Gradiertenschule für Environmental Health
Organisator der Helmholtz Diabetes Conference
Welche spezifischen Risiken birgt langfristiges Intervallfasten für jüngere Personen im Vergleich zu den Vorteilen für Erwachsene?
AB: Mithilfe der Einzelzell-RNA-Sequenzierung haben wir detaillierte Transkriptom-Profile der Langerhans-Inseln erstellt und uns speziell auf die Analyse der Beta-Zellen konzentriert – diese spielen eine Schlüsselrolle in der Entwicklung von Diabetes. Wir haben festgestellt, dass nach dauerhaften Intervallfasten die Beta-Zellen junger Mäuse eine Entwicklungsstörung aufwiesen, die mit einer reduzierten Insulinsekretion verbunden war. Dies wurde bei erwachsenen Mäusen nicht beobachtet.
Welchen Einfluss hat die Dauer des intermittierenden Fastens auf den Stoffwechsel und die Funktion der Bauchspeicheldrüse?
AB: Die meisten Menschen praktizieren Intervallfasten über kurze Zeiträume. Unsere Studie zeigt, dass vier Wochen Fasten den Glukosestoffwechsel bei Mäusen aller Altersgruppen verbessert. In einem chronischen Setting, beispielsweise über zehn Wochen, zeigte sich dieser positive Effekt jedoch nur bei erwachsenen Mäusen. Da es viele verschiedene Formen des Intervallfasten gibt, muss noch geklärt werden, ob alle diese Varianten ähnliche Auswirkungen auf Entwicklung und Stoffwechsel haben.
Was sind Ihre nächsten Forschungsziele?
AB: Die drängendste Frage ist, ob die verzögerte Entwicklung der Beta-Zellen reversibel ist und ob sich dieser Mechanismus therapeutisch nutzen lässt. Ein großes Problem bei Diabetes ist der Verlust von Beta-Zellen – wenn wir einen Weg finden, deren Reifung zu fördern, könnten wir möglicherweise das Überleben und die Regeneration dieser Zellen unterstützen. Unsere Studie zum intermittierenden Fasten könnte wichtige neue Puzzleteile zur Lösung dieses Problems geliefert haben.
Was ist Intervallfasten?
Intervallfasten ist ein Ernährungsrhythmus, der zwischen Essens- und Fastenphasen wechselt. Der Fokus liegt nicht darauf, was man isst, sondern wann man isst. Zu den gängigen Methoden gehören die 16:8-Methode (16 Stunden fasten, essen innerhalb eines 8-Stunden-Fensters) und die 5:2-Methode (an fünf Tagen normal essen, an zwei nicht aufeinanderfolgenden Tagen die Kalorienzufuhr stark reduzieren). Intervallfasten wird oft wegen seiner möglichen gesundheitlichen Vorteile praktiziert, darunter eine verbesserte Stoffwechselgesundheit, Gewichtsmanagement und zelluläre Reparationsprozesse.

Prof. Dr. Alexander Bartelt
Prof. Dr. Alexander Bartelt leitet die Abteilung "Kardiovaskulärer Immunstoffwechsel" am Helmholtz Diabetes Center, ZHK-Nachwuchsgruppenleiter und Professor für kardiovaskulären Stoffwechsel am Institut für Prophylaxe und Epidemiologie der Kreislaufkrankheiten der Ludwig-Maximilians-Universität München und seit 2024 leitet er als Else Kröner Fresenius Professor am TUM Campus Weihenstephan den Lehrstuhl für Translationale Ernährungsmedizin.
Er erforscht die grundlegenden molekularen Mechanismen, die dem zellulären Stress beim Metabolischen Syndrom zugrunde liegen.
Wichtige Erfolge und Auszeichnungen
- Karl-Lohmann-Preis der Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie e. V.
- European Atherosclerosis Society Young Investigator Award
- Norman Salem Jr. Early Career Award of ISSFAL
- Friedmund Neumann Preis der Schering Stiftung
- ERC Starting Grant 2019
Contact
Kontakt: stephan.herzig@helmholtz-munich.de
Profil: Stephan Herzig (auf Englisch)
Kontakt: alexander.bartelt@med.uni-muenchen.de
Letzte Aktualisierung: Februar 2025